Reuchlin an Friedrich den Weisen, 26.7.1518

Durchlauchtigster, hochgeborner Fürst, gnädigster Herr! Ew. F. G. Begehren soll gewillfahrt werden, und euer Schreiben will ich Meister Philippsen Schwarzerd gen Tübingen zuschicken, der E. F. G. zu gehorsamen Diensten geneigt, und wird gen Augsburg mit seiner Liberei kommen, auf E. F. G. warten, und wird der hohen Schul, und E. F. G. zu Ehren, Lob und Nutz dienen. Daran sollt ihr keinen Zweifel haben. Denn ich weiß unter den Teutschen keinen, der über ihn sey, ausgenommen Herr Erasmus Roterodamus, der ist ein Holländer. Derselbige übertrifft uns alle im Latein. Wie gern ich wollte auch zu E. F. G. gen Augsburg kommen, so steht es dieser Zeit so wild, daß ich mich wohl bedenken will, ob ich komme, wiewohl ichs sust in meiner Sache fast nothdürftig wäre. Aber Augsburg ist unsern Landsleuten eines Theils übel erschossen. Wo aber mein gnädiger Herr, Herzog Ulrich zu Würtenberg auf den Tag würde kommen, so wollt ich auch kommen. Hiermit befehl ich mich in Euer Gnad allwege. Dat. Stutgart, S. Jacobstag 1518.

D. Johannes Reuchlin

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834

Luther, Martin – An Wenceslaus Link (10.7.1518)

– Unser Vicarius, Johann Lange, der heute hier ist, sagt, er sei von Graf Albrechten zu Mansfeld gewarnt worden, er solle mich ja nicht aus Wittenberg ausgehen lassen, denn es hätten einige Große auf mich bestellt, daß ich erdrosselt oder ersäuft werden sollte. Ich bin wie Jeremias der Mann des Haders und der Zwietracht, der die Pharisäer täglich mit neuen Lehren, wie sie sagen, erbittert. Ich aber bin mir nicht anders bewußt, als daß ich die reinste Theologie lehre und folglich habe ich auch vorher gewußt, daß ich den heiligsten Juden ein Aergerniß und den weisesten Griechen eine Narrheit predigen würde. Aber ich hoffe, daß ich das Jesu Christo schulde, der wohl auch zu mir spricht: „ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen.“ Denn wenn er das nicht spricht, warum hat er mich, einen so hartnäckigen Mann, zum Dienst seines Worts gesetzt? oder warum hat er mich nicht etwas Anderes gelehrt zu sagen? Also war es sein heiliger Wille. Je mehr sie drohen, je freudiger und getroster bin ich: mein Weib und Kind ist versorgt, mein Acker, Haus und alles Vermögen ist bestellt, an Nam‘ und Ehre lassen sie mir nichts Gutes mehr: so bleibt mir nur mein elender und schwacher Körper; wollen sie den hinnehmen, so werden sie mich um ein oder zwei Stunden Leben ärmer machen, aber die Seele werden sie mir doch nicht nehmen. Ich singe mit Johann Reuchlin: „Wer arm ist fürchtet nichts, er kann nichts verlieren, sondern sitzt fröhlich in guter Hoffnung: er kann nur gewinnen.“

Ich weiß, daß das Wort Gottes von Anbeginn der Welt der Art gewesen, daß wer es in die Welt tragen will, mit den Aposteln stündlich gewärtig sein muß mit Verlassung und Verleugnung aller Dinge den Tod zu leiden. Wenn es nicht so wäre, so wäre es kein Wort Christi: mit dem Tod ist es erkauft, durch Vieler Tod ist es hinausgetragen und verkündigt, durch Vieler Tod ist es bewahrt worden: so wird es auch mit vielem Sterben ferner erhalten und erneuert werden. Denn so ist unser Bräutigam ein Blutbräutigam. Darum betet, daß der Herr Jesus diesen Muth seines getreuen Sünders mehre und erhalte. Ich habe neulich eine Predigt an das Volk vom Banne gehalten, darin ich auch die Tyrannei und Unwissenheit jenes Gesindels, der Officialen, Commissarien und Vicarien gestraft habe. Es wundern sich Alle, daß sie dergleichen nie gehört haben. Nun warten wir alle, was ich darüber werde auszustehen haben. Ich habe ein neu Feuer angezündet: aber so thut das Wort der Wahrheit, das Zeichen, dem widersprochen wird. – Ich frage nichts nach den Narren und Tadlern. Christus sei nur mein gnädiger Gott, dem bin ich bereit im Amt des Worts zu weichen.

Wittenberg am Tage der 12 Brüder (10. Juli) 1518.

Bruder Martin Luther.