Luther, Martin – An Cajetan. Aus dem Lateinischen. Augsburg den 18. Oktober 1518

Verehrungswürdigster Vater in Christo! Schwach am Körper und arm an Mitteln, habe ich doch die weite gefahrvolle Reise hierher unternommen und bin auf den Befehl unsers Heiligsten Vaters Leo X. vor Euch zum Verhör erschienen. Das wird Euch ein genügender Beweis meines Gehorsams gewesen sein. Überdies habe ich durch die Veröffentlichung meiner „Resolutionen“ mich samt allen meinen Sätzen seiner Heiligkeit zu Füßen gelegt, bereit, jedes verdammende oder zustimmende Urteil entgegenzunehmen. Auch bin ich mir bewusst, auch nicht die kleinste Pflicht eines ergebenen und gehorsamen Sohnes der Kirche versäumt zu haben.

Nun aber will und kann ich nicht länger nutzlos hier verweilen. Mir selbst fehlen die nötigen Mittel, und meinen Gastfreunden, den Karmelitern, bin ich bereits mehr als genug zur Last gefallen. Vor allem aber habt Ihr mir ja voll Zorn verboten, noch einmal vor Euren Augen zu erscheinen, wenn ich nicht widerrufen wollte. Und inwieweit ich einen Widerruf zu leisten vermag, habe ich in meinem letzten Briefe ausgeführt.

Darum reise ich nunmehr ab. Ich wandre nach einer andern Stätte, wo ich bleiben kann. Ich habe mich entschlossen, obwohl meine bisherigen Richter vermöge ihrer hohen Stellung großen Eindruck auf mich machen, doch von ihnen, von Euch, verehrungswürdiger Vater, und vor allen Dingen „von unserm schlecht berichteten Heiligsten Herrn Leo X. zum besser zu berichtenden“ zu appellieren; denn ich weiß, unserm erlauchten Kurfürsten wird eine solche Berufung angenehmer sein als ein Widerruf. Trotzdem hätte ich es, soviel an mir lag, unterlassen. Erstens scheint mir eine Appellation oder eine Überweisung an deutsche Richter deshalb unnötig, weil ich, wie ich ausgeführt habe, alles dem Richtspruch der Kirche anheimgegeben habe und einzig und allein ihre Meinungsäußerung erwarte. Was darf, was kann ich auch weiter tun? Nicht auf meine Anklage und nicht auf meine Verteidigung kommt es an. Ich will nicht meine Sätze, sondern die Glaubensformel der Kirche vernehmen; ich will nicht mit der Wut des Gegners streiten, sondern mit der Folgsamkeit des Schülers mich belehren lassen.

Sodann darf ich aber wohl überzeugt sein, dass Euch die Unterhandlung mit mir nur zur Last war und eine Appellation darum angenehm ist; und so brauche ich den Bann ebenso wenig zu fürchten, wie ich ihn verdient habe. Jedoch hat mich Gottes Gnade auch so geschaffen, dass ich ihn weniger fürchte als Irrtum und falsche Meinungen in Glaubenssachen. Denn ich weiß, er kann nicht schaden und nur nützen, wenn der rechte Glaube und die Wahrheit mit mir waren.

So bitte ich Euch denn bei Christi Blut und der hohen Gnade, die Ihr mir schon erzeigt habt: erkennt meinen Gehorsam, den ich bisher geleistet habe, gnädig an und empfehlt ihn auch unserm Heiligsten Vater; meine Abreise aber und meine Appellation legt mir zum besten aus, denn die Not und das gewichtige Wort der Freunde haben mich dazu veranlasst. Ich kann ja die Gründe nicht widerlegen, die sie mir entgegenhalten: Was willst du widerrufen? Kannst du denn detwa durch deinen unmaßgeblichen Widerruf uns eine Norm für unsern Glauben schaffen? Wenn etwas an deinen Sätzen verwerflich ist, so mag die Kirche sie zunächst verdammen, und du kannst dann wohl ihrem Anspruch folgen, nicht aber sie dem deinen. – Diesen Worten musste ich mich gefangen geben.

So nehme ich denn von Euch Abschied, verehrungswürdiger und hochachtbarer Vater in Christo.

Im Karmeliterkloster zu Augsburg am Tage St. Lukä des Evangelisten 1518.

Euer untertäniger Sohn,
Bruder Martinus Lutherius, Augustiner

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix

Luther, Martin – An Cardinal Thomas Cajetanus (17.10.1518)

Hochwürdigster in Gott Vater. Ich komme noch einmal, nicht persönlich, sondern durch Schrift: Eure hochwürdige, väterliche Güte wolle mich gnädiglich erhören.

Es hat der Ehrwürdige, mein allerliebster Vater in Christo, unser Vicarius, Doctor Johannes Staupitz mit mir gehandelt, daß ich mich demüthigen, meinen eignen Wahn fallen lassen und meine Meinung frommer und unverdächtiger Leute Erkenntniß und Urtheil untergeben wollte; hat auch Eure hochwürdige, väterliche Liebe so sehr gerühmt und gelobt und mich dahin gänzlich beredet, daß ich nun der starken Zuversicht bin. Eure väterliche Liebe meine mich mit allen Treuen. Diese neue Mähre und der Bote haben mich höchlich erfreut; denn dieser Mann hat das Ansehen und Glauben bei mir, daß ich keinen in der Welt weiß, dem ich lieber und gewisser gehorchen und folgen könnte, denn eben ihm.

Deßgleichen hat auch mit mir gehandelt mein allerliebster Bruder, Magister Wenceslaus Link, der von Jugend auf in einerlei Lehre und Studiis mit mir erzogen und erwachsen ist.

Nun, Hochwürdigster Vater, ich bekenne, wie ich auch vormals bekannt habe, daß ich mich – wie man sagt – allzusehr unbescheiden, heftig und zu wenig ehrerbietig gegen den Namen des obersten Bischofs erzeigt habe. Und ob mir wohl große Ursach dazu gegeben, so verstehe ich doch nun, daß mir’s wohl angestanden hätte, daß ich meine Sache demüthiger, gelinder und mit größerer Ehrerbietung hätte vorgenommen , denn geschehen ist und nicht also dem Narren geantwortet hätte nach seiner Narrheit, daß ich ihm gleich wäre worden.

Welches mir nun recht leid ist und bitte um Gnade; ich will auch auf allen Kanzeln hin und wieder dem Volke solches anzeigen, wie ich bereits nun oft gethan habe. Will mich auch hinfort mit Gottes Hülfe befleißigen, daß ich mich bessere und anders rede. Ja, ich bin aller Dinge bereit ungenöthigt zuzusagen, dieses Handels vom Ablaß hinfort mit einigem Worte nicht zu gedenken und, wenn diese Sache hingelegt ist, mich zu Ruhe begeben; allein, daß denen auch ein Maaß gesetzt werde zu reden oder zu schweigen, die mich dieses Spiel anzufangen bewegt und große Ursach dazu gegeben haben. Gegeben am Abend St. Lucä (17. October), Anno 1518.

Eurer Hochwürdigster, väterlicher Liebe unterthäniger Sohn,

Br. Martin Luther,
Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Staupitz, Johann – An Friedrich den Weisen

15. October 1518

Durchlauchter Hochgeporner churfürst meyn allergnädigster herr. E. Churf. g. seyn beuor meyn arme gebeth vnd vndertanigste dienste.

Gnädigster Herr, der legat von roma handelt wye man (gote geklagt), doselben phlegt, gibt hübsche wordt vnd dy selbigen lär vnd Eytel. Dan sein gemute rastet allayn vff dem, daß magister martinus wyderruffe, vnangesehen, daß sich magister martinus erbewtt stille zu stehen, vnd hye zw Augspurg offentlich zw disputyren vnd seyner Disputationen Ja aller wordt der Innen beschlossen antwordt vnd vrsach zw geben, aber der vngleiche richter wil nicht, daß er dispütyr sünder reuocir, Nychtz mynner hat Im doctor martinus vff dye fündament, ßo er Ime vffgelegt, schrifftlich dermaßen geantworth, daß der Cardinal zu den selbigen geengt Seynen gehabten fündament nicht vertrawet vnd sücht ytzund hyn vnd haar, diß vnd daß, ab er daß vnschuldige blüet vortilgenn möchte, vnd zum widerruff bringen, got wölle der rechte richter seyn vnd der warheyt beystandt.

Er sagt auch ayn schrifft vom general Im lande seyn, wider magistrum martinum, Doctor Peyting läßt sich hören eß sey auch wyder mich daß man vns, Inn kärker werfen sylle, vnd gewalt mit vns üben, got sey der beschirmer – Zum beschliesß, Ich besorg der magister müsße apelliren, vnd gewartenn deß, gewaltzt, helff im got, syne feyndt seyn worden seyn richter, dy Ine beklagen fellen dßa vrtayl, domit beuelh ich mich E. churfl. g. vnd dy selbige dem Ewygen gote, vtzund wayß ich nichtz gewisß zw schreyben, woe sich aber dy sache myltern würde, sal E. g. vffs Eylendist zugeschriben werden.

Datum zw augsburg 15 tag octobris 1518.

E. Churfl. G.

vnderworfener gehorsamer Cappelan
D. Johannes von Staupitz.

Die deutsche Augustiner-Congregation und Johann von Staupitz
Dr. Th. Kolde
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1879

Luther, Martin – An Andreas Carlstadt (14.10.1518)

Glück und Seligkeit, achtbarer Herr Doctor. Nehmt wenig für viel, denn die Zeit drängt mich dazu: auf ein andermal will ich euch, auch andern Leuten mehr schreiben. Diese drei Tage über ist meine Sache in einem sehr harten Stand gestanden, also, daß ich gar keine Hoffnung hatte wiederum zu euch zu kommen, und daß ich mich nichts gewissers denn des Bannes versah. Denn der Legat wollte in alle Weg, ich sollte nicht öffentlich disputiren; so wollt er mit mir allein auch nicht disputiren, und rühmt sich allezeit, er wolle nicht mein Richter sein, sondern in allen Sachen väterlich mit mir umgehen. Aber nichts desto weniger wollt er nichts anders von mir hören, denn diese Worte: Ich widerrufe und bekenne, daß ich geirrt habe. Welches ich nicht habe wollen thun. Aber am allermeisten ist über diese zwei Artikel gefochten worden. Zum ersten, daß ich gesagt hab, daß der Ablaß nicht sei der Schatz des Verdienstes unsers lieben Herrn und Seligmachers Christi. Zum andern, daß ein Mensch, der zu dem allerhochwürdigsten Sacramente gehen will, glauben müsse.

Nachdem nun der Legat alle Sachen allein mit Macht und Gewalt trieb und handelte, habe ich heute erst auf vieler Leute Fürbitte erlangt mir zu gestatten meine Antwort in Schrift zu stellen. – Auch ist meine Meinung, so der Legat sich unterwindet mit mir mit Gewalt zu verfahren, so will ich meine Antwort über benannte zwei Artikel ausgehen lassen, damit die ganze Welt sein Unweis und Ungeschicklichkeit in dieser Sache vermerken möge. Denn wahrlich, es fließen aus seiner Meinung viel ungereimte und ketzerische, Sätze und Meinung. Er ist vielleicht ein namhaftiger Thomist, aber ein undeutlicher, verborgener, unverständiger Theologus oder Christ und derhalben diese Sache zu richten, erkennen und urtheilen eben so geschickt als ein Esel zu der Harfen. Derwegen auch meine Sache in solcher Fährlichkeit steht, daß sie solche Richter hat, welche nicht allein Feinde und ergrimmt sind, sondern auch unvermöglich die Sache zu erkennen und zu verstehen. Aber wie dem allen sei, so regiert und lebt Gott der Herr, welchem ich mich und alles das Meine befehle und zweifle nicht, mir werde durch etlicher gottesfürchtiger Lerne Gebet Hülfe widerfahren; wie ich mich schier lasse dünken, als geschehe Gebet für mich.

Aber ich komme entweder wiederum zu euch unverletzt, oder aber ich wende mich an einen andern Ort verbannt; so gehabt euch wohl. Haltet fest und erhöhet Christum getrost und unverzagt.

Ich habe aller Menschen Gunst und Beifall, allein ausgenommen vielleicht den Haufen, der es mit dem Cardinal hält: wiewohl der Cardinal mich auch stets sein lieben Sohn nennt und meinem Vicario zusagt, daß ich keinen bessern Freund hab, denn ihn. Das weiß ich, daß ich der allerangenehmste und liebste wäre, wenn ich dieß einig Worte spräche revoco, das ist, ich widerrufe. Aber ich will nicht zu einem Ketzer werden mit dem Widerspruch der Meinung, durch welche ich bin zu einem Christen worden; eher will ich sterben, verbrannt, vertrieben und vermaledeiet werden.

Gehab dich wohl, mein liebster Herr, und zeige diese meine Schrift unsern Theologis, dem Amsdorf, dem Philippo und den Andern, damit ihr für mich, ja auch für euch bittet. Denn allhie wird gehandelt eure Sache, nämlich des Glaubens an den Herrn Jesum Christum und an die Gnade Gottes. Gegeben zu Augsburg, an St. Calixten Tag (14. October) 1518.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Philipp Melanchthon (11.10.1518)

Heil! Es wird allhier nichts Neues oder Seltsames vorgenommen, allein, daß Jedermann in der ganzen Stadt von Or. Luther redet und den neuen Herostratum zu sehen begehrt, der ein solch groß Feuer angezündet hat. Beweiset euch als ein Mann, wie ihr ja thut und lehret die Jugend was recht ist: ich aber gehe hin. mich für sie und euch zu opfern, wenn es Gott gefallt. Denn ich will lieber sterben und eurer lieben Gemeinschaft, wie schwer mir’s auch wird, in Ewigkeit entbehren, als daß ich das, so durch euch recht gelehrt ist, widerrufen sollte und daß ich allen guten Künsten und Studien zum Verderben würde.

Welschland ist, wie vor Zeiten Aegypten, in greifliche Finsterniß geworfen: so gar nichts wissen sie von Christus, noch, was Christo angehört; und wir müssen doch leiden, daß sie über uns herrschen und uns lehren nach ihrer Weise, beides Glauben und Sitten. Also wird Gottes Zorn über uns erfüllt, wie der Prophet klagt: „Ich will ihnen Knaben zu Fürsten geben und Kindische sollen über sie herrschen.“ Gehabt euch wohl, lieber Philippe, im Herrn und wendet ab Gottes Zorn durch euer reines und brünstiges Gebet.

Gegeben zu Augsburg, am Montag nach Dionisii (11. October) 1518. ‚

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Melanchthon. Aus dem Lateinischen. Augsburg den 11. Oktober 1518

Segen von Christo zuvor! Liebster Herr Philippus! Johannes Böschenstein habt Ihr mir selber so sehr empfohlen, dass ich ihn nicht erst Euch hiermit zu empfehlen brauche. Er ist, sehe ich, ängstlich und kleingläubig, wodurch aber Eure Freundschaft keine Einbuße erleiden darf. Ich bitte vielmehr Euch und die andern Freunde, erzeigt Euch sanftmütig und herzlich gegen ihn. Von meiner Angelegenheit wird Euch Doktor Karlstadt unterrichten. Es geschieht nichts besonderes Neues; ich bin in aller Munde, und jeder begehrt den Menschen zu sehen, der eine so gewaltige Feuersbrunst entfacht hat.

Bewährt Euch weiterhin als ein Mann und lehrt der Jugend die Wahrheit; ich gehe hin, für Euch und sie mich opfern zu lassen, wenn es Gott so gefällt. Ich will lieber zugrunde gehen und, was mir am allerschwersten wird, auch Euren lieben Umgang auf immer entbehren, als dass ich widerrufe, was ich recht gelehrt habe, und als dass ich der Anlaß werde zum Untergang edler Wissenschaft.

Durch die Schuld meiner unwissenden Gegner, der heftigsten Feinde der Wissenschaft und Gelehrsamkeit, ist Italien in tiefe äpyptische Finsternis versunken. So gut wie nichts wissen sie von Christus und was Christi ist; und doch sind sie Herren und Lehrer unsres Glaubens und unsres Lebens. So wird der Zorn Gottes über uns erfüllt, der sagt: „Ich will ihnen Jünglinge zu Fürsten geben, und Kindische sollen über sie herrschen.“ Lebt wohl, lieber Philippus, und wendet Gottes Zorn durch reines Gebet von uns ab.

Augsburg Montag nach Dionysii 1518

Bruder Martinus Lutherus

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix