Zwingli, Huldrych – An Joachim Vadianus.

Zürich, 19. Januar 1520.

(„Den sehr gelehrten Mann und wackern Freund.“)

Ich sandte deinen Brief nach Basel an Dorpius, gelehrtester und theuerster Joachim, gleich am Tage nach seinem Empfang. Möge es glücklich ausfallen! Denn man sagt, der Mensch sei noch beweglicher, als der Cothurn:1) so ist Manchem jeder Ruhm zu gering, wenn er am Allerhöchsten geachtet wird. Es beunruhigt ihn freilich der Glanz des Erasmus, von dem er jedoch sehr viel Licht erlangen könnte, wenn er den Ruhm, der von Gott ist, suchen würde. Da er aber Dieß nicht thut, wird er durch den Neid und Hunger nach Ruhm gefoltert gleich den Juden, die, weil sie gierig nach dem Ruhm bei den Menschen trachteten, und deßhalb in der Treulosigkeit beharrten, billig von Christo hören mußten: „wie könntet ihr glauben, die ihr Ruhm von einander nehmet, und den Ruhm, der von Gott allein ist, nicht suchet? Den man nehmlich durch Demuth und Einfalt im Himmel, nicht hier erlangt?“ Glareanus wünscht dir bestens Glück, indem er sich dir abermals empfiehlt: Denn was das Studium zu Basel betrifft, so ist es etwas: wenn auch die Sache erst noch im Sprossen begriffen ist, so haben wir doch gute Hoffnung. Die Bücher, welche du irgend einmal zu haben wünschest, werde ich besorgen. Du thust aber etwas Deiner und eines christlichen Mannes Würdiges, wenn du dich in den Festtagen mehr mit Lesen derselben beschäftigst, als mit solchen kalten und müßigen Gängen. Denn ein Christ soll nicht wie ein Heide seine größte Hoffnung in das viele Reden setzen, sondern in Reinheit des Lebens, verbunden mit der Liebe zu Gott und zum Nächsten, welche man durch nichts glücklicher und leichter sich erwirbt, als wenn man dergleichen liest, was du verlangst, worin du nicht nur den Geist eines Paulus und der heiligen Väter vernimmst, sondern auch das Feuer der Liebe brennen fühlst, wovon du endlich selbst dergestalt entbrennst, daß du auch Andere entzündest und erleuchtest. Das Buch des Hussiten mit dem Titel: de capite ecclesiae 2) sah ich, und stellte es dem Secretär unserer Stadt zu, so daß es nun nicht leicht sein dürfte, wieder zu demselben zu kommen. Allein so viel wir bei der ersten Durchsicht der einen und der andern Seite merken konnten, scheint es nicht ungelehrt, und das Werk eines Mannes zu sein, der über Andere seiner Zeit an Bildung hervorragt; doch was brauchen wir unser Urtheil zu schreiben, da wir es mit einem Manne zu thun haben, von welchem wir vielmehr ein Urtheil erwarten, als fällen müssen; aber es ist vielleicht von Natur so, daß, was uns am Meisten gefällt, dann besonders gefallen soll, wenn auch das Urtheil von solchen hinzukommt, welche, wie sie niederer stehen, so auch ebenderselben Anstalt nicht fremd sind, damit nehmlich keiner sich selbst zu viel vertraue.

Siehe, wie sehr wir auf deine Gesinnung gegen uns bauen! Eck dürfte in Rom sein, Bullen und noch größere Verfolgungen, als diese, erregen: doch werden es Bullen sein, wenn sie auch die nicht treffen, welche sie durchaus nicht verdienen, weil sie nehmlich die verachten lernten, welche den Leib tödten. Bruder Casäus (denn Caseus ihn zu nennen, wäre unschicklich) möge sich mit seinen Posten wohl befinden: denn ich achte dieselben keinen Heller werth. Deßwegen möchte ich den Menschen auch von dir so behandelt wissen, daß er deutlich sieht, daß er und das Seinige werde verachtet werden, wenn er bekannt wird. Erasmus kam noch nicht nach Basel: sobald er aber kommt, wirst du es erfahren, und wirst du überlegen, ob du mit dem H. Verwalter von Einsiedel und Franciscus, Utinger und Andern mit uns nach Basel zu ihm herabkommen wollest; was dieselben bereits beschlossen haben, wenn er kommen wird. Neues, das dich sehr interessiren könnte, gibt es nichts, als daß ich für alle Schweitzer Schlimmes besorge, da ihre Studien so uneinig sind. Aber dieß ist nichts Neues und bei dir Unerhörtes. Unsere Schwester in Christo, Margaretha Zilina, grüße in unserem Namen. Ich gedenke täglich Einiges an sie zu schreiben, aber die Geschäfte verbieten es. Ich wünsche, daß du, Bruder in Christo sammt deiner Frau, so wie alle deine und meine Freunde sich stets wohl befinden möchten.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Kaiser Carl V. (15.1.1520)

Gnade und Friede von unserm Herrn Jesu Christo. Es möchte sich wohl billig Jedermann verwundern, daß ich, allergütigster Herr Kaiser Carl, mich unterstehen darf, an Ew. Kais. Maj. zu schreiben. Denn wer hat ungewöhnlicher, ungeschickter Ding jemals gesehen, denn daß der König der Könige und Herr der Herren auf Erden von dem geringsten, verachtesten Menschen angesprochen werde?

Doch wird, wer die Größe dieser hochwichtigen Sachen fleißig bedenkt und versteht, daß sie die göttliche Wahrheit belangt, sich so groß nicht verwundern. Denn so sie würdig ist, vor den Thron göttlicher Majestät zu treten: vielmehr ist sie würdig, daß sie auch einen irdischen und sterblichen Fürsten anspreche; will schweigen, daß, gleichwie die irdischen Fürsten ein Vorbild sind des himmlischen, also stehet’s ihnen wohl an, daß sie demselben Vorbilde folgen, nämlich daß auch sie in der Höhe sitzend, doch auf das Niedrige auf Erden sehen und den Geringen ausrichten aus dem Staube und erheben den Armen aus dem Koth.

Derhalben komme ich armer und elender Mensch, falle zu Füßen Euer Durchlauchtigsten Kaiserlichen Majestät, als der allerunwertheste, der doch die allerwichtigste und würdigste Sache vorbringet.

Ich habe etliche Büchlein lassen im Druck ausgehen, damit ich auf mich vieler, auch großer Leute Neid, Zorn und Ungnade geladen habe; da ich doch billig Dank und zweifältigen Dank wohl verdient hätte. Erstlich, daß ich wider meinen Willen, genöthigt an Tag hervorkommen bin; hätte auch nicht vorgenommen, etwas zu schreiben, wo meine Widersacher, beide mit Gewalt und List, mich nicht dazu hätten gedrungen. Denn ich begehre auch von Herzen, denn daß ich hätte in meinem Winkel verborgen sein und bleiben mögen.

Zum andern, habe ich mich nichts anders, deß mir mein Gewissen und viel frommer, gottseliger Leute Urtheil Zeugniß geben, an Tag zu bringen beflissen, denn die evangelische Wahrheit, wider den Aberglauben und Wahn menschlicher Tradition. Darüber leide ich nun schier drei ganze Jahre Zorn, Lästerung, Gefahr und allerlei Böses ohne Aufhören, so meine Widersacher nur erdenken können.

Hilft mir nichts indeß, daß ich um Gnade und Vergebung bitte; ist vergebens, daß ich mich erbiete fürder stille zu schweigen; hat kein Ansehen, daß ich Mittel und Wege des Friedens vorschlage; hilft nichts, daß ich begehre besser berichtet zu werden. Dieß allein wird vorgenommen, daß ich sammt dem ganzen Evangelio vertilgt und ausgerottet werden soll.

Weil aber all‘ meine Mühe vergeblich war, habe ich letztlich für gut angesehen, dem Exempel St. Athanasii nach die Kaiserliche Majestät anzurufen, ob vielleicht der liebe Gott durch sie seiner Sache wollte beistehn. Falle deßhalben, o Herr Carol, Fürst der Könige auf Erden! Euer Durchlauchtigsten Majestät zu Füßen und bitte in aller Demuth und Unterthänigkeit, Sie wolle nicht mich, sondern die Sache der göttlichen Wahrheit (um welcher willen allein Ew. Maj. das Schwert zu tragen von Gott gegeben ist zur Rache über die Uebelthäter und zu Lob der Frommen,) unter den Schatten Ihrer Flügel nehmen, mich aber in gedachter Sache nicht weiter noch länger schützen, denn bis ich nach angezeigter Ursach und Verantwortung die Sache gewonnen oder verloren habe.

Werde ich dann als ein Gottloser und Ketzer erfunden, begehre ich keines Schutzes. Eins nur bitte ich, daß weder die Wahrheit noch die Lüge unverhört und unüberwunden verdammt werde.

Denn das gebührt Eurem Königlichen und Kaiserlichen Thron, das ziert Eurer Majestät Kaiserthum, das wird Euer Jahrhundert für alle Nachkommen weihen und unvergeßlich machen: nämlich, so Euere heilige Majestät nicht gestattet, daß der Gottlose verschlinge den, der frömmer denn er ist, noch lasset die Menschen, wie der Prophet sagt, gehen wie Fische im Meer, und Gewürm, das keinen Herrn hat.

Also befehl ich mich, also hoffe ich, also versehe ich mich alles Guten zu Euerer heiligen Majestät, welche der Herr Jesus uns erhalte, und hoch erhebe zur ewigen Ehre seines Evangelii, Amen.

Gegeben zu Wittenberg, am 15. Januar 1520. Eurer Durchlauchtigsten Königlichen und Kaiserlichen Majestät ergebener Schützling

Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (14.1.1520)

Heil! Mein lieber Spalatin. Ich freue mich gar sehr und danke meinem Gott, daß meine Sache dahin gediehen, daß meine Feinde nunmehr sowohl die Lehre von beiderlei Gestalt, als auch meine Familie verlästern und alles Andere darüber vergessen. Durch die große Barmherzigkeit Christi, die sich an mir Unwürdigen offenbart, lebe ich der Hoffnung, daß ich nicht werde verloren gehen um irgend einer Lehre willen, die von Wichtigkeit ist, als da sind: vom freien Willen, von der Gnade, von den Schlüsseln der Kirche. Denn hie scheinen meine Feinde an mir zu verzweifeln, weil sie nun nach so lächerlichen Dingen fahnden.

Von meiner Familie wird niemand gewissere Nachricht geben können, als die Grafen von Mansfeld. Und ich achte, diese Helden haben noch soviel Ehre und Ansehen im Reich, daß ihr Zeugniß Glauben verdient. Uebrigens bin ich zu Eisleben geboren und eben dort in St. Peters Kirche getauft worden. Darauf weiß ich mich zwar nicht zu besinnen, aber ich glaube es meinen Aeltern und Andern in meiner Heimath. Meine Aeltern sind von einem nahe bei Eisenach gelegenen Ort dahin gezogen. Denn in Eisenach wohnt fast meine ganze Verwandtschaft. Denselben bin ich dort bekannt gewesen und bin es noch, als der ich allda vier Jahre lang dem Studiren obgelegen. Es kennt mich auch keine Stadt besser als diese. Und ich glaube, sie würden so einfältig nicht gewesen sein, daß der eine des Luthers Sohn für seinen Enkel, der andere für seiner Mutter Bruder, noch ein anderer für seiner Schwester Sohn – dergleichen Anverwandte ich dort viele habe – gehalten hätte, wenn sie gewußt hätten, daß mein Vater und Mutter Böhmen waren und ganz andre Leute, als die bei ihnen sind geboren worden. Meine Jugend habe ich aus der Universität zu Erfurt und im Kloster gelebt, bis ich nach Wittenberg bin kommen. Zu Magdeburg habe ich auch ein Jahr, als ich vierzehn alt war, zugebracht.

Da habt ihr meinen Lebenslauf und meine Verwandtschaft. Ich wollte aber lieber, gleichwie Christus vor Herodes und Hannas, von dieser Sache gar schweigen. Auf daß jene thörichten Menschen glaubten, was sie wollten, und was ihnen ansteht, bis sie einmal schamroth werden. Es ist ein Geschlecht, das sich weder durch Pfeifen noch Klagen bewegen läßt, dem zu helfen sich jedermann vergeblich bemüht. –

Ich habe mich dahin gegeben als ein Opfer im Namen des Herrn. Sein Wille geschehe. Wer hat ihn darum gebeten, daß er mich zum Doctor machen sollte? Hat er mich dazu gemacht, so mag er’s sich gethan haben: oder gereut es ihn, so schlage er’s wieder nieder. Diese Trübsal macht mich so gar nicht verzagt, daß sie vielmehr den Segeln meines Herzens unbeschreiblich große Hoffnung giebt und ich nun an mir selbst erfahre, warum in der Schrift die Teufel mit den Winden verglichen werden. Denn indem sie den Wind ihrer Wuth und Raserei von sich blasen, so blasen sie Andere, die sich geduldig darein schicken, auf und machen sie muthig.

Nur daran ist mir gelegen, daß mir der Herr in meiner Sache, die ich für ihn führe, seine Gnade schenke und darin werdet auch ihr mir, soviel ihr könnt, helfen. Der Menschen Sache aber laßt uns in gläubigem Gebet Gott anbefehlen und dabei ohne Kummer und Sorge leben. Was können Menschen uns thun? Tödten sie uns? So können sie uns doch nicht wieder lebendig machen, um uns noch einmal zu tödten; schreien sie uns als Ketzer aus? ist doch auch unser lieber Herr Christus unter die Uebelthäter, Verführer und Gotteslästerer gerechnet und zum Tode verdammt worden. Betrachte ich sein Leiden, so kränkts mich sehr, daß meine Versuchung von so vielen und großen Leuten nicht für eine kleine, sondern für eine gar große angesehen wird, da sie doch in der That für nichts zu achten ist. Wo kommts anders her, als weil wir uns ins Leiden und Ungemach, das ist in das Christenleben gar nicht schicken wollen.

Laßt es also sein: Je gewaltiger mir meine Feinde zusetzen, desto sorgloser will ich ihrer spotten. Ich habe es bei mir beschlossen, in diesem Leben Nichts zu fürchten, sondern Alles Nichts zu achten. Und wo ich nicht besorgte, ich möchte den Fürsten mit hineinflechten, so wollte ich eine getroste und glaubensvolle Schutzschrift ausgeben, dieser höllischen Plaggöttinnen spotten und ihre unsinnige Wuth gegen mich noch mehr reizen. – Gehabt euch wohl und betet für mich. 14. Januar Anno 1520.

Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867