Spalatin an Friedrich den Weisen, Nov. 1521

Gnädigster Herr. Der Rector zu Wittenberg schreibt mir itzo unter andern, daß man bei ihnen nicht dürfe weiter um eine einträchtige Antwort der Messen halben suchen, angesehen daß sie der Sachen unter einander nicht einig seind.

Daß auch der mehrere Theil, als der heiligen Schrift unerfahren, sich in diese Sache nicht wollen einlassen, und die Sache den Theologen, und bevor dem Ausschuß, heimstellen.

Und daß E. Chf. Gn. das Capitel ihr Bedenken mit einer sonderlichen Schrift wird anzeigen. Denn sie haben sich mit einander nicht vergleichen mögen, wie vielleicht in langer Zeit nicht beschehen möge.

Aber es sey derer, so dem Ausschuß Zufall (Beifall) geben, Meinung, daß die Mißbräuche nicht eilend, sondern mit der Zeit und ohhne Aufruhr abgethan werden.

Er laß sich auch selbst bedenken, man muß ein zeitlich Einsehung in die Sach haben, damit nicht durch den Namen Gottes Worts mehr unschicklicher Freiheit denn christlicher Gottfurcht eingeführt werde.

Erbeut sich auch Empörung zu verwahren allen Fleiß zu haben. Das hab E. Chf. G. ich länger nicht wollen verhalten.

E. Chf. G.
untertäniger Diener
Spalatinus

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834

Hans von Doltzck und Bernhardt von Hirszfelt – An Joachim zu Pappenheym

Dem Edeln und Ehrnvhesten Joachim Marschalck zu Pappenheym/ des heyligen Ro. Reychs Erbmarschalck rc. vnszerm besundern lieben freundt.

Vnser freuntwillige dinste zuuor besunderer liber freund/ Ewer schreiben des dags meldet zu Nurnberg Dornstag nach sancti Martini disz iarsz/ darinen ihr vnter anderm antzeigt wie wol ihr euch vorsehen vnd ausz schuldiger trewe als ein iunger vnd liebhaber der Euangelischen vnnd Christlichen laher zu vnsz gentzlichenn vortrostet/ wir wurden euch szo lange an erinnerung vnnd ermanung vmb nicht abfallung von der rechten Christlichen wege der laher des glaubens. In welchen yhr zu Wurmsz gantz trostlichen vnd guten bericht entpfangen nicht haben ruhen lassen/ als mit zuschicknusz newer auszgangner schrifften vnd gutgrundiger lahre Doctor Martini Luthers/ wie dann solchs zuthun am abscheyden zu Wurms abgeredt. Solchs wer aber von vnsz vnterlassen/ des yhr zweyerley vrsach in bedencken furgenommen. Nemlichen das villeicht von vnsz geacht wurt weil yhr den obgemelten trostlichen vnd gutten bericht szo bald eingenommen yhr wurdent auch szo schnell von dem selbigen abfellig wurden sein/ oder aber das wir angehort hetten/ das yhr in einer bestimpten zeit gen Nurnberg kommen wurdet rc. haben wir allenthalben ferners inhalts gelesen vnd gantz freuntlich vernommen.

Euch wollen wir darauff guter meynung nicht verhalten/ das wir vns wol tzuerindern wissenn/  wie yhr euch auff negstgehaltem Reichstag zu Wurms/ vngetzweyfelt durch gotlich erforderung/ in die reyn/ trostlich/ vnd hellwertig laher des Christlichen Euangelium vnd wort gotis eingelassen/ hindan gesetzt vnd vnangesehen allen vnszern vordinst/ alles vnszer vermogen/ alle menschliche werck vnd zuthuen/ allein in die vnermessene vnd grundtlasze gottis gnad vnnd barmhertzickeit durch Christum Jhesum vnszern hern vnd heylmacher zuuortrawen ergeben/ auch folgent mit vnsz mancherley gutter vnterrede gehalten.

Das aber euch mitler zeit von vnsz nichts newes zugeschickt/ ist nicht darumb vorbliben/ das wir eynigen vormutlichen zweiffel oder beysorg gehabt/ als wir auch noch nicht tragen/ sam sltet yhr so kurtz vnd leichtlich dem gotlichen worte wider abfellig wurden sein/ szßndern das wir ewers personlichen wesenlichen enthalts vnd ankommens/ ytziger leufft halben/ zum teil nicht grndlichen erforschen mugen/ vnd auch der hoffnung gewest sein/ das die bucher szo durch den druck alsß weyt auszkommen nicht allein e8uch/ szunder meniglich vnd bewr den die gottis wort mit Christlichen trewen lieben vnd ehren/ vnter welcher zal wir euch gantz vntzweifflich halten/ auch zuhanden fur gewandt sein.

Damit aber vnser entschuldigung nicht gar ler vnd ledig sey/ vnd in betrachtung/ das wir alle/ wie sanct Paul zu den Romern/ Chorintern/ vnd Ephesern schreybt/ als mitglidmasen ausz Christlicher pflicht gegen einander handelt/ einer fur den andern sorgen/ aneinander auffriemen. vnd als er zu den von Thessalonica sagt/ aneinander liebhaben/ an einander trosten/ mit einander den gutten folgen. vnd als zu den Hebreern steet/ einer des andern gewar nemen vnd mit trewen meynen sollen.

Szo hat es sich gleich mit dem falh vorberurter anregung zugetragen/ das vnsz vberreichnuß etlicher newer dinge begegent sein/ vnnd schicken euch hiemit dauon Copien zweyer der selben schreyben des edeln vnd ehinvhesten Hartmudts von Cronbergs vnsers besundern gelibten freundts/ Ja einis furnemen liebhabers der gotlichen Euangelischen vnd Christlichen laher vnd warheit/ als nemlich/ Eine an Romisch keyserlich Maiestat vnsern aller gnedigsten herren/ vnd die andere an seinen vettern hern Franciscum vom Sickingen ausgangen sein sollen/ die er in wenigen vorgangen tagen vnsz zugesant hat.

Vnd die weil berurte zwey schreyben bey vil gelarten vnd layen annemlichen vnd des ansehens sein/ das sie ein Christlich trewmeynends hertz vnd adelhafftig gemute antzeigen/ vnd das er es mit allen stenden gemeyner christenheit gerne gut sehe/ das sie allenthalben in gotlichem gesetz vnd ordnung/ durch sein gnad vnterhalten wurden.

Dem nach haben wir euch die selben ausz angeregtem vnd vormarcktem ewrem guten willen/ vnd vonangetzeyten bewegung vnd ermanung der schrifft nicht wollen bergen vnd also mit eylende ym besten dar gethan haben/ freuntlich bittende solchs von vnsz in guttem aufftzunemen.

Dem wir auch hiemit got des almechtigen gnad vnd barmhertzickeit allen willen seiner gotlichen gute vnd das werck des glaubens/ als sanct Paul spricht/ in euch zuerfullen/ zusampt aller gluckseligen wolfart wunschen. Dan euch seind wir mit freuntlichem willen dinstlich zuwerden geneygt. Datum zu der Lochaw am ersten sontage des aduents anno domini M. D. XXI.

Hans von Doltzck vnd Bernhardt von Hirszfelt.

Luther, Martin – An die Augustiner zu Wittenberg 1521

25. November 1521

Den Augustinern zu Wittemberg, meinen lieben Brüdern, wünsch ich Martinus Gnad und Fried unsers Herrn Jesu Christi.

Es ist mir mundlich und schriftlich kund worden, lieben Brüder, daß ihr fur allen die ersten seyd, die in ihrer Sammlung den Mißbrauch der Messen habt angefangen abzuthun. Und wiewohl miichs doch erfreuet hat, als ein Werk, daran ich spüre, daß das Wort Christi in euch wirket und es ummbsonst nicht empfangen habt; jedoch hab ich daneben aus christlicher Liebe, die nichts unterläßt, große Sorg, daß ihr nicht alle gleicher Beständigkeit und gutes Gewissen ein solch groß merklich Ding habt angefangen. Ich will schweigen, wie die Bischof und Pfaffen Baal die Gewissen der Schwachen im Glauben täglich erschrecken, itzt mit päpstlichen Bullen, itz mit Ablaß, itzt mit Bruderschaft; der fähet die ehlichen POriester; der thut dieß, der ander das Wunder, und ieglicher das ärgiste, was er kann.

Was wird aber geschehen, so ihr in der ganzen Welt von allen Menschen, auch von den frummen, klugen, heiligen und weisen, alle Hohn, Schmach, Laster und Unehre leiden werdt, und als Gotteslasterer geachtet werden, darumb, daß ihr allein, und euer so wenig, alle geistliche und menschliche Ordnung wider aller Menschen Vernunft zu verandern euch habt unterstanden? Denn es ist gar ein merklich groß Ding, einer solchen langen Gewohnheit und aller Menschen Sinn zu widerstehen, ihre Scheltwort, Urtheil und Vordamnen geduldiglich leiden, und solchen Sturmwinden und Wellen unbeweglich stille zu stehn. Ich weiß wohl: so ihr auf den Fels gebauet seyd, daß euch kein Ungestüme der Wasser und Wind schaden kann; so ihr auber auf dem Sand stehet, wird euch ein schwinder großer Fall begegen.

Ich empfinde täglich bey mir, wie gar scher es ist, langwährige Gewissen, und mit menschlichen Satzungen gefangen, abzulegen. O wie mit viel großer Mühe und Arbeit, auch durch gegründte heilige Schrift, hab ich mein eigen Gewissen kaum können rechtfertigen, daß ich einer allein widder den Papst habe dürfen auftreten, ihn fur den Antichrist halten, die Bischof fur sein Aposteln, die hohen Schulen fur sein Hurhäuser. Wie oft hat mein Herz gezappelt, mich gestraft, und mir furgeworfen ihr einig stärkist Argument: Du bist allein klug? Sollten die andern alle irren, und so ein lange Zeit geirret haben? Wie, wenn du irrest, und so viel Leut in Irrthum verfuhrest, wilche alle ewiglich verdamnet wurden? Bis so lang, daß mich Christus mit seinem einigen gewissen Wort befestiget und bestätiget hat, daß mein Herz nicht mehr zappelt, sondern sich widder diese Argument der Papisten, als ein steinern Ufer widder die Wellen, auflehnt, und ihr Drauen und Sturmen verlachet.

Und darumb, daß ich dieß in mir empfunden, und bedacht, hab ich euch diesen meinen Brief wolln zuschreiben zu Trost und Stärk der Schwachen, die solchen Sturm und Gewalt des Widdertheils und der verzagten Gewissen nit tragen kunnen. Denn es muß mit solchen Gewissen, Glauben und Vertrauen gehandelt werden, daß wir nicht allein die Urtheil der ganzen Welt als Streu und Spreu achten; sondern daß wir im Tod wider den Teufel und alle sein Macht, auch gegen dem Gericht Gottis zu streiten, geschickt seyn, und mit Jacob Gott durch ein solchen starken Glauben überwinden. Es kunnen wohl die Schwachen im Glauben der Welt Hohn und Spott verachten, und thun gleich als ob sie es mit höreten; wer kann aber odder mag sich fur dem Teufel und dem ernsten Gericht Gottis, daß er die nicht empfinde, bewahren?

Die Welt kann nit mehr, denn uns Ketzer und Unglaubige schlten; zu Ketzer kann sie uns nicht machen. Unsere Gewissen werden uns mancherley Weise zu Sunder fur Gott machen, und ewig verdamnen, es sey denn, daß sie mit dem heiligen, starken und wahrhaftigen Wort Gottis allenthalben wohl verwahrt und beschirmet sind, das ist, auf den einigen Fels gebauet. Und wer das thut, der ist der Sachen gewiß, un d kann nit feylen noch wanken, auch nit betrogen werden. Solche gewisse unbetrügliche Festung suchen und begehen wir.

Darumb will ich von der Meß ein eigen Buchle machen, das auch einem ieglichen, wer da will, soll nütz seyn. Denn ich sehe wohl, daß meine Bücher, die ich vorhin davon geschrieben habe, noch nicht gnug bewegen, darumb, daß die Bischof dawidder streben, auf daß, so oft das Wort der Wahrheit verneuet, erhaben und widderholet werde, so oft die Papierhenker dasselbige verfdamnen und unterdrucken. Wir sollen auch den Herrn bitten, daß er Werkleut in seine Ernte schicke, und seine Engel, daß sie wegnehmen die Aergerniß, der itzund sehr viel ist, von dem Reich Gottis. Es ist itzunder dieß großes furhanden; wenn wir dasselbige kunnten wegnehmen, so hätten wir nit eins weggenommen, dieweil es ein Grund und Haupt ist aller andern. Der Herr Jesus stärke und bewahr euer Sinn und Herzen, in einem wahren, rechten, ungedichtem Glauben, und göttlicher Liebe, Amen. Aus meiner Wüsten, am Tage Catharinä.

Hutten an den Rat von Straßburg

Denn Strengen Ernvesten, fürsichtigen vnnd weysen Meyster vnd Rat der Stat Strasburg meynen besondern gunstigen lieben herren vnnd frunden.

Strengen Ernvesten Ersamen vnnd Weysen besondern gunstigen guten frund vnnd gunder, Vff ewer schrifftlich angesinnen vnnd beger, der Carthuser sach halb, das ich euch darJnn eyner gutlichen vnterhandlung verfolgen wöll, hab ich euch kurtz hie vor wie wol nit meyner gelegenheyt nach, sonder euch zu Eren vnnd gefallen, fruntliche wilfarung vnd guten willen zu leysten, mich ergeben. Als ir aber von mir euch tag vnd malstat, wan vnd wo ich mich ewere geschickten wöll finden lassen, an zu zeigen begert, füre ich euch zu wissen, das ich werd ab got wil von heut bisz vber acht tage alhie zu Wartenberg verharren. Wo euch nun gelegen, Jemants an mich zu schicken, wil ich desz alhie warten, da er mich gnante zeyt ausz finden wurt. Hab ich euch vff ewer ansuchen vnd beger, guter meynung nit wöllen verhalten. Euch lieb thienst vnd fruntschafft zu erzeygen bin ich von hertzen willig vnd geneygt. Datum Wartenberg Donnerstag nach Elizabeth Im Jar etc. xxj. meyn handt.

Vlrich vom Hutten zum Steckelberg der Junger.

Zeitschrift für die historische Theologie
herausgegeben von Dr. Christian Wilhelm Riedner
Jahrgang 1847
Leipzig
F. A. Brockhaus
1847

Luther, Martin – An Hans Luther (21.11.1521)

An Hans Luther, seinen lieben Vater, Martinus Luther, sein Sohn.

Dieß Buch, lieber Vater, habe ich dir darum wollen zuschreiben, nicht daß ich deinen Namen hoch vor der Welt berühmt machte, und also nach dem Fleisch wider die Lehre des Apostel Pauli Ehre suchte, sondern daß ich Ursach hätte durch eine kurze Vorrede die Sach, den Inhalt, und ein Exempel dies Buchs den christlichen Lesern anzuzeigen. Und daß ich damit anfange, will ich dir nicht bergen, daß dein Sohn so weit nun kommen ist, daß er nun ganz überredet und gewiß ist, daß nichts heiliger, nichts fürnehmer, nichts geistlicher sei zu halten, denn das Gebot und Wort Gottes. Aber hie wirst du sprechen: Hilf Gott der Unseligkeit, hast du denn hieran je gezweifelt oder das nun erst gelernt? Ich sage aber, daß ich nicht allein hieran gezweifelt, sondern gar nicht gewußt, daß dieses also wäre. Und das mehr ist, so du es leidest, bin ich bereit, dir anzuzeigen, daß du in solcher Unwissenheit gleich als ich gewesen bist.

Es geht jetzt fast in das sechzehnte Jahr meiner Möncherei, darein ich mich ohne dein Wissen und Willen begeben. Du hattest wohl Sorge und Furcht meiner Schwachheit, darum daß ich war ein jung Blut bei 22 Jahren, das ist (daß ich Augustinus Wort brauch) es war noch eitel heiß Jugend mit mir, und daß du an vielen Exempeln gelernt, daß Möncherei Vielen unseliglich gelungen; du warst auch wohl Willens, mir reich und ehrlich zu freien und also anzubinden. Und diese deine Furcht, diese Sorge, dieser dein Unwill auf mich war ein Weile schlecht unversöhnlich, und war aller Freunde Rath umsonst, die da sagten: „so du Gott willst etwas opfern, so sollst ihm das Liebste und Beste opfern.“ Indeß aber tönte dir wohl Gott diesen Vers aus’m Psalm in dein Herz: „Der Herr weiß die Gedanken der Menschen, daß sie unnütze sind“; aber du hörtest nichts. Dennoch zuletzt hast du gewichen und deinen Willen Gott anheim geben; aber dennoch nicht weggelegt deine Furcht und Sorge. Denn ich gedenke noch allzuwohl, da es wieder unter uns gut ward, und du mit mir redetest, und da ich dir sagte, daß ich mit erschrecklicher Erscheinung vom Himmel gerufen wäre. Denn ich ward ja nicht gern oder willig ein Mönch, viel weniger um Mästung oder des Bauchs willen; sondern als ich mit Erschrecken und Angst des Todes eilend umgeben war, gelobt ich ein gezwungen und gedrungen Gelübde. Und gleich daselbst sagtest du: „Gott geb‘, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst sei.“ Das Wort, gleich als hätte es Gott durch deinen Mund geredet, durchdrang und senkte sich bald in Grund meiner Seele; aber ich verstopfte und versperrte mein Herz, soviel ich konnte, wider dich und dein Wort. Darzu war noch ein Andres: da ich dir, als ein Sohn sich vermag gegen einen Vater, vorwarf deinen Zorn, alsbald trafest du und stießest mich wieder also eben und gleich zu, daß ich mein Leblang kaum von einem Menschen ein Wort gehört hab, das kräftiger mir eingangen und behaftet wäre. Denn dieß waren deine Worte: „Ei hast du nicht auch gehört, daß man Aeltern soll gehorsam sein?“ Aber ich verstockte in meiner eigen Frömmigkeit, hörte und verachtete dich ganz als einen Menschen. Aber dennoch von Herzen konnt‘ ich das Wort nie verachten.

Hie siehe nun, ob dir nicht verborgen gewesen, daß man Gottes Gebot müßt‘ allen andern vorziehen. Denn ists nicht also? Hättest du gewußt, daß ich auf die Zeit noch in deiner Hand war, hättest du mich nicht aus väterlicher Gewalt aus der Kappen gerissen? Denn wahrlich, wo ich’s gewußt, hätte ich ohne dein Willen und Wissen solches nicht angefangen, und ob ich auch tansend Tode hätte leiden sollen. Denn eigentlich mein Gelübde war nicht einer Schlehen werth; denn ich zog mich damit aus Gewalt und Willen der Aeltern, die mir von Gott geboten waren; und das mehr, es war ganz ungöttlich. Daß es aber nicht aus Gott wäre, zeigt nicht allein das an, daß es wider deine Gewalt war, sondern daß es nicht von Herzen und williglich gethan war. Darzu war mein Gelübniß auf eitel Menschenlehre und Geistlichkeit der Gleißner, die Gott nicht geboten hat.

Aber Gott, deß Barmherzigkeit kein Zahl ist, und deß Weisheit kein End ist, hat aus solchen allen Irrthumen und Sünden Wunder viel größer Güter geschafft. Siehe, wolltest du nun nicht lieber hundert Söhne verloren, denn solch groß Gut nicht gesehn haben? Es dünkt mich, daß Satanas von meiner Jugend an zuvor gesehen hab die Dinge, die er nun leidet. Derhalb hat er, mich umzubringen und zu verhindern, geraset, und wüthet mit so viel Funden, daß ich mich oft verwundert und gedacht, ob ich’s gar allein wäre unter allen Menschen, den er antastet.

Es hat aber Gott gewollt, ‚wie ich nun sehe), daß ich der hohen Schulen Weisheit und der Klöster Heiligkeit aus eigener und gewisser Erfahrung, das ist, aus vielen Sünden und gottlosen Werken erführe, daß das gottlose Volk nicht wider mich, ihren zukünftigen Widerpart, zu prangen hält, als der unbekannte Ding verdammt. Darum bin ich ein Mönch gewesen und noch; aber nicht ohne Sünde, doch ohne Schuld oder Vorwurf. Denn Aberglaube und Gottes Verachtung werden in des Papstes Regiment nicht allein nicht gestraft, sondern auch für große Geistlichkeit geachtet.

Nun wohlan, was denkest du aber nun? Willst du mich noch aus der Möncherei reißen? Denn du bist ja noch Vater, so bin ich noch Sohn und alle Gelübde sind gewiß nichts: auf deinem Theil steht göttlich Gebot und Gewalt, auf meinem Theil steht menschlicher Frevel; denn die Jungferschaft, die die Papisten mit solchen Pausbacken aufblasen, ist nichts ohne Gehorsam des göttlichen Gebots; Jungferschaft ist nicht geboten, Gehorsam ist geboten. –

Lieber Vater, willst du mich noch aus der Möncherei nehmen? Aber damit du dich nicht darfst rühmen, ist dir Gott zuvorgekommen und hat mich selbst herausgenommen. Denn was thut’s darzu, ob ich ein Kappen und Platten trage oder ablege? Macht die Kappe und Platte Mönche? St. Paulus spricht: „Alle Dinge sind euer, ihr aber seid des Herrn Christi.“ Und ich sollt der Kappen eigen sein und nicht vielmehr die Kappen mein eigen? Mein Gewissen ist frei und erlöset, das dann die höchste und größte vollkommene Freiheit ist.

Darum bin ich nun ein Mönch und doch nicht Mönch, und eine neue Creatur nicht des Papstes, sondern Christi. Denn es hat der Papst auch Creaturen und ist ein Schöpser, aber eitel Docken und Götzen, das ist seines Gleichen, Larven und Potzmänner. Deren ich vor Zeiten einer gewesen, als ich verführt war mit mancherlei Brauch der Worte, dadurch der Weise, als er sagt, in Fährlichkeit gewesen bis an den Tod und erlöset durch die Gnade Gottes.

Nun schau her, beraub‘ ich aber dich deiner Rechte und Gewalt? Ich halt, nein, denn deine Gewalt bleibt gar in mir ganz, als viel es die Möncherei antrifft; aber die ist nun bei mir aus und nichts, wie ich gesagt. Aber der mich aus der Möncherei genommen hat, hat mehr Recht’s über mich, denn dein Recht ist. Derselbe hat mich, wie du siehst, gesetzt nicht in den losen, erdichteten gleisnerischen Gottesdienst der Möncherei, sondern in einen wahren Gottesdienst; denn daß ich sei im Dienst des Wortes Gottes kann ja Niemand leugnen, oder zweifeln.

Das aber ist der rechte Gottesdienst, dem weichen soll der Aeltern Gewalt. „Wer da liebt Vater oder Mutter mehr denn mich, sagt Christus, der ist meiner nicht werth.“ Nicht daß er der Aeltern Gewalt damit aufgehoben, so der Apostel so oft darauf dringt, daß die Kinder den Aeltern gehorsam sollen sein; sondern der Spruch hat Statt, so Christus und der Aeltern Gewalt wider einander ist: Christi Gewalt die soll allein herrschen und vorgehn.

Darum schicke ich dir dieß Buch, in welchem du erkennest, mit was Zeichen, Kräften und Wunderwerken Christus mich von dem Gelübde der Möncherei erlöset hat, und mit so großer Freiheit begnadet, daß ich, wiewohl er mich zu aller Menschen Knecht gemacht, dennoch Niemand unterworfen, denn allein ihm. Denn er ist, wie sie es nennen, allein ohne Mittel mein Bischof, Abt, Prior, Herr, Vater, Meister; sonst weiß ich keinen mehr. Und ich hoffe, er hab dir also deinen Sohn genommen, daß er vielen Andern ihren Söhnen durch mich jetzt anhebt zu helfen, das du nicht allein gern haben sollst, sondern auch hoch und groß dich freuen. Daß du aber nichts Anderes thun werdest, will ich mich ganz zu dir versehen. Ob mich aber der Papst erwürgt und verdammt und jenseit der Höllen wirft, wird er mich doch vom Tod nicht wieder können aufwecken, daß er mich mehrmal erwürge. Daß ich aber verbannt und verdammt bin, soll mein Herz und Wille sein, daß er mich nimmer mehr absolviere. Denn ich hoff, daß nahe sei der große Tag, da zerbrochen und niedergestoßen wird werden das Reich der Verdammniß und des Greuels.

Und wollte Gott, wir wären’s würdig vom Papst zuvor verbrannt oder erwürgt zu werden, daß unser Blut möchte schreien und drängen sein Gericht, daß sein bald ein End würde. So wir aber nicht werth, mit dem Blut zu bezeugen, so laßt uns allein ihn anrufen und bitten um die Barmherzigkeit, daß wir mit dem Leben und der Stimme mögen bekennen und zeugen, daß Jesus Christus allein ein Herr ist unser Gott, gebenedeiet in Ewigkeit, Amen.

Und in demselbigen sei gesegnet, lieber Vater, und die Mutter, deine Margariten, sammt unserm ganzen Geschlecht, grüß im Herrn Christo. Aus der Wüstenung1), 21.Novembris Anno 1521.

1) von der Wartburg

 

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Ulrich von Hutten an den Rat der Stadt Straßburg

Denn Strengenn Ernuestenn Ersamenn Weisenn Meister vnnd Rat der Statt Strasburg mein besonndern gunstigen lieben guten freund vnnd gunnern.

Strenngen Ernuesten Ersamen vnnd Wisenn In sonnder  gunstig lieben freund vnnd gunder. Vch zuuor mein freuntlich dinst mit besonnderm willen bereit. Ewer schrifftlich anntwurt vff mein vch zugeschigt uerschreiben die cartheiser betreffen in der ir vch einen gutlichen vnderhandelung zuuerfolgen, auch deshalb tag vnnd malstatt ernennen vnnd zu bestimen angesünd, weitters Innhalts Ich vernomen. Vnnd wie wol ich nit willens gewest mit gedachtenn Cartheusern, Dieweil ir vnuerursacht verhandelung gegen mir vnlauckbar am tag in einig gutlich vnnderhandelung oder gesprech zu begeben. So ich aber vch vor allen anndern des heiligenn Reichs Stetten zu freuntlicher wilfarung begirig wil ich vch in diser vnpillichen gegen mir geupten hanndelung, die angesinten vnnderhandlung allein vch zu Eren vnnd gefallenn nit abschlahen. Deszhalb malstat mit eigner bottschafft, Inhalt euwers schreibens benennen hab ich vff euwer beger nit wellen verhalten. Dann euch zu freuntlicher dienstbarkeit ich ganntz geneigt. Datum Drinnstein vff mitwoch nach Martini Anno etc. xxj.

Vlrich von Hutten.

Zeitschrift für die historische Theologie
herausgegeben von Dr. Christian Wilhelm Riedner
Jahrgang 1847.
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
1847

Hutten an den Rat der Stadt Straßburg

Denn Strenngen Ernuestenn Ersamen Weisenn Meister vnnd Rat der Statt Strasburg mein besonndern gunstigen lieben guten freund vnnd gunnern.

Strenngen Ernuesten Ersamen vnnd Wisenn In sonnder gunstig lieben freund vnnd gunder. Vch zuuor mein freuntlich dinst mit besonnderm willen bereit. Ewer schrifftlich anntwurt vff mein vch zugeschigt uerschreiben die cartheiser betreffen in der ir vch einen gutlichen vnderhandelung zuuerfolgen, auch deshalb tag vnnd malstatt ernennen vnnd zu bestimen angesünd, weitters Innhalts Ich vernomen. Vnnd wie wol ich nit willens gewest mit gedachtenn Cartheusern, Dieweil ir vnuerursacht verhandelung gegen mit vnlauckbar am tag in einig gutlich vnnderhandelung oder gesprech zu begeben. So ich aber vcht vor alle nanndern des heiligenn Reichs Stetten zu freuntlicher wilfarung begierig wil ich vch in diser vnpillichen gegen mir geupten hanndelung, die angesinten vnnderhandelung allein vch zu Eren vnnd gefallenn nit abschlahen. Deszhalb malstat mit eigner bottschafft, inhalt euwers schreibens benennen hab ich vff euwer beger nit wellen verhalten. Dann euch zu freuntlicher dienstbarkeit ich ganntz geneigt. Datum Drinnstein vff mitwoch nach Martini Anno etc. xxj.

Vlrich von Hutten

Quelle: Zeitschrift für die historische Theologie Sechzehnter Band/ Neue Folge: Zehnter Band Leipzig, F. A. Brockhaus, 1846