Luther an den Rat zu Riga

31.8.1529

Gnad vnnd fride in Christo Erbarn fursichtigen lieben Hern vnnd freunde Ich hab M. Johann Lohmullers eur stad Sindicus vnnd abgefertigeter Botschaft, in sachen ßo eur stad jezt des Erczbischoues halben betreffen ((Der Erzbischof bewilligte der Stadt Riga einen Anstand auf sechs Jahre vom 30. Juli angerechnet, in welcher Zeit das Evangelium freiverkündet, und die Oberherrsschaft des Erzbischofs über die Stadt unverändert bleiben solle)), allerlei gehabte muhe vnnd vleis gehort, dazu gesehn den anstand welchen er zu wegen bracht, Denselbigen ehr myr, neben M. Philippo, vnnd andern geczeigt, vnnd gebeten zu geben ein Zceugnis, was wir dauon hilten, wie ehr eur f. wol wird weither berichten, Damit e. f. gewiß weren, seiner treuen vleisigen außrichtung, Alßo halten wir, das solicher anstand sechs Jahr lang vast gut sey, vnnd vns gleich wundert, das ers ßo weit hot mugen brengen, vnnd solt wol wen ehr vnns zuvor hett vmb Rath irsucht, vil enger vnnd schwecher wurden sein, Derhalben ist mein fruntlich bitt, wollet euch sampt der gemeynen solche Handlung gefallen lassen, vnnd drob sein, das solicher anstand gehalten werde, zu eurm glympf vnnd got, ders ßo fein hott angefangen, wirts vollent fein hinauß furen, ßo wir mith vleiß bitten. Es wirt vil wassers dyße sechs Jar vorlauffen, kumpt tag, ßo kumpt auch Rat, vnnd ist nicht leichtlich dem Bisschoue eczwes furzunehmen, weil bede Keiser vnd Reich zuschaffen genug haben. Man syhet wol, was beiden Kunigen zu Hungern vnd Dennemarck thun ßo hab ich auch gesehn wie genanther M. Johan Lohmuller des Herczogen zu preusen Briue fur euch geschriben, wol vnd fein bestellet vnnd vber anthwurtet hott, Das ab got will nicht soll noth haben. Solch hab ich e. f. wollen anczeigen, damit vrsachen zu geben die eurn zw friden vnnd zu trost zu reiczen Christus vnser Her sei mith euch allen Amen XXXI Augusti 1529.

E. f.
williger
Martinus Luther

Quelle:
Analecta Lutherana
Briefe und Actenstücke zur Geschichte Luthers
Herausgegeben von D. Theodor Kolde
Gotha.
Friedrich Andreas Perthes.
1883.

Bucer, Martin – An Philipp von Hessen.

1529

Dem Durchleuchtigen hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Philipsen Landtgrauen zu Hessen, Grauen zu katzen Ellenbogen, mynen gnedigen Herrn zu synen gnaden eignen Handen.

Durchlüchtiger, Hochgeborner Fürst, gnediger Herr. Ew. F. G. wünsche ich vonn got, dem Allmechtigen syn gnad und wolfart, sampt myner undertheniger und schuldiger Diensten. Dann yr E.F.G. als eyn besunder Christlichem Haubt, alle Diener gotts und guthertzigen zugewandt und gehorsam syn sollen. Es befilhet uns Zwingli E.F.G. schriftlichenn anzuzeigen, wann wir vonn Hynen gedachten zu verrytten, uff das sie uns hetten durch yre Diener und lebendig geleyt, uff gewisse Zit und malstatt, wüssen zu empfahen. Daruff ist durch mich und myn mittbruder, eyner uß mynen Herren, so in soliche zu befragen und sonderlich befelh hatt, angesprochen, den syhet für gut an, das wir uff den achtzehnden tag des Septembris, vonn hier ußrütten, biß ghen Wachßlen, das myner Herrn eyns Rhats, unnd vier meilen von der Statt Straßburg gelegen ist, Und am xixtag fürter uff Zweyenbruck zu. By dysen abreden und fürnemen, es unsserthalb, will gott, beruhen solle. Welches ich undertheniger wolmeinung uff befelh myns lieben Brüders Zwingli, der sich am Höchsten Zu besorgen hat, E.F.G. zugeschrieben, die gott zu allem guten erhalten wölle, den wir unß, als unsser F.G. und Herr undertheniglich befehlend.

Geben Straßburgk.
E.F.G.
undertheniger
Martin Bucer
Diener Im Wort Gots
zu Straßburgk.

Urkunden aus der Reformationszeit
Ch. Gotthold Neudecker
Cassel, 1836
Bei J. C. Krieger

Clarenbach, Adolf – An Johann von Kirspe

Sendschreiben von Adolf Clarenbach, der neulich zu Köln verbrannt wurde, aus dem Gefängnis geschrieben an den ehrwürdigen Vater Bruder Johann von Kierspe, Mönch zu Köln aus dem Predigerorden, über einige Artikel des Glaubens.

Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden.

Dem frommen Leser.

Fasse guten Muth, wer Du auch seist, der Du Christo dich zugesagt hast. Er, der allerwachsamste Hirte verläßt Seine Heerde nicht. Ein so großer König und Triumphator, in dessen Hand die Herzen der Könige sind, wird seine Soldaten mit leichter Mühe beschützen. Es schadet ihnen weder Tod, noch Peinigungen, noch Bande. Es mögen die Sophisten schwätzen, es mögen die falschen Theologen ihre Stimme erheben, während die Gottlosen bis auf den letzten Mann zu Grunde gehen, wird Christus regieren, ja so regiert und triumphiert er schon in seinen Blutzeugen. Unter welchen der sehr ruhmwürdige Herr Adolf Clarenbach zugleich mit seinem Genossen Peter von Flisteden sowohl im Leben als im Sterben aus dem Heerlager seines Königes tapfer streitend den Sieg davon getragen hat. Dessen wahrhaft christliches Herz kann man aus folgendem Briefe, welchen er, wenngleich einem Feinde der Wahrheit, doch in sehr bescheidener Weise geschrieben hat, kennen und lieben lernen. Vernehmt denselben daher mit freudigem Geiste, und es gereue dich nicht, nach dem Beispiele jenes deinem Herrn und Heiland durch dessen Gnade nachzuahmen. Lebe wohl.

Seiner Ehrwürden, dem Vater und Bruder Johann von Kierspe, Predigermönch zu Köln.

Jesus Emmanuel.

Heil von Christo, dem Herrn über Alle. Großen und ungemeinen Dank statte ich Deiner werthen Person ab, verehrungswürdiger und menschenfreundlicher Mann (vergelten kann ich in der Gegenwart nicht, weshalb Christus, der alles vermag, vergelten möge), weil Du Dir meinetwillen so viel Mühe gegeben hast, der ich in Verachtung und Niedrigkeit im Namen Christi um Christi willen, wie ein Schaf, welches zur Schlachtung bestimmt ist, gefangen gehalten werde. Denn Du zeigst, daß Du einen beträchtlichen Theil beider Testamente von Neuem aufgeschlagen hast außer der übrigen Arbeit, die Du auf Durchsicht der Werke der Gewährsmänner und auf die Abfassung Deines Schreibens verwandt hast. Jedoch zur Sache. Zum Ersten handelst Du auf vielen Seiten nichts anderes ab, als daß Du beweisest, daß nicht jedes Schwören von Gott verboten sei, was ich niemals geläugnet habe, da ich vielmehr von Anfang meines Trauerspiels an offen und frei dieses in Gegenwart Ew. Hochwürden und öffentlich und privatim, wie dieses Euer Brief auch gesteht, behauptet und bekannt habe, daß das Schwören erlaubt sei, wo dasselbe sich auf die Ehre Gottes oder auf die Liebe des Nächsten beziehe. Wozu dient es daher, lieber Mann, so viel Mühe vergeblich unter so vielen und großen Beschäftigungen, durch welche Du nicht bloß täglich sondern stündlich in Anspruch genommen bist, anzuwenden und wie man zu sagen pflegt, das Abgemachte noch einmal vorzunehmen.

Sodann, nachdem es endlich zur Sache kommt, nämlich Du beweisen willst, daß ein Gefangener in seiner Privatsache schwören müsse, verlierst Du gänzlich und in dem Grade die Partie, daß ich allein daraus, wenn nichts anderes mir zu Gebote stände, den Beweise entnehmen könnte, daß ich in dieser Sache zur Eidesleistung nicht verbunden sei. Weil solches also ein durchgebildeter Theologe nicht beweisen kann (wie aus Deinen Schriften sonnenklar für die Aufmerksamen hervorgeht) wer wird es, sage ich, läugnen können, daß es etwas frivoles sei? Es steht schlecht um eine Sache, welche von den tüchtigsten Personen nicht vorgenommen und behandelt werden kann. Denn zuerst, da Du das Dir vorgenommene Thema zu beweisen unternimmst, bemühest Du Dich mich jene schmutzige und schändliche Selbstliebe zu lehren, ein Laster, welches auch die besseren Heiden verabscheut haben, gegen die ganze heilige Schrift, welche ja nichts anders lehrt, als daß wir die Liebe zu uns selbst daran geben und uns zu der Liebe Gottes stärken sollen? Das kannst Du nicht läugnen, wenn Du jenes einige Haupt von uns allen Jesum Christum hörst, da er schreibt: Du sollst lieben den Herrn Deinen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und aus allen Kräften und Deinen Nächsten, als Dich selbst. In diesen zweien Geboten hanget das ganze Gesetz und die Propheten. Wenn aber die Liebe zu Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und aus allen deinen Kräften sein wird, so wird von der Selbstliebe nichts übrig bleiben was derselbe Herr Christus an einem andern Orte mit andern Worten folgendermaßen ausspricht: Wer mir – so sagt Er, – nachfolgen will, der verläugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Darauf geht auch das Wort Pauli an die Römer: Unser keiner lebt ihm selber und unser keiner stirbt ihm selber, leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Dies in der Kürze soweit es sich auf Gott den Allerhöchsten bezieht. Laß uns nun den Nächsten in’s Auge fassen: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Hier wägt und schätzt und mißt er die Liebe des Nächsten nach der Selbstliebe, oder nach der Aehnlichkeit der Liebe, welche der Mensch gegen sich selbst hat; denn er sagt nicht, du sollst dich selbst lieben wie den Nächsten, sondern, du sollst den Nächsten lieben, wie dich selbst. Wie aber liebst du dich selbst? Indem du alles Schädliche und Widerwärtige auf jegliche Weise abweisest, meidest und fliehst, alles aber, was Vortheil und Nutzen bringt, auf jegliche Weise erstrebst und demselben nachjagst und indem du, wie man sagt, mit Händen und Füßen dich bemühest, es zu erhalten. In allem diesem suchst du das deine. Siehe, so sollst du den Nächsten lieben, nämlich, daß du alles Schädliche und ihm Widerwärtige auf jegliche Weise in seinem Namen abweisest, vermeidest und fliehst, und ebenso alles, was Vortheil und Nutzen bringt, auf jegliche Weise für ihn begehrest, suchest und mit allen Kräften dich bemühst, daß er es erlange. Wenn du das thust, mußt du nothwendig die Selbstliebe bei Seite setzen. So weit ists davon entfernt, daß die Selbstliebe vorgeschrieben sei, vielmehr es ist vorgeschrieben, daß ich mich nicht liebe. Damit du aber nicht sagest, dies sei von mir erdichtet oder erdacht, so höre jenen Apostel von Tarsus, der nicht bloß an einer Stelle gleichsam zusammenfassender und kürzer, aber nach demselben Sinn das Gebet Gottes erklärt, wenn er spricht: Niemand suche das Seine, sondern das, was des Andern ist. Ebenso: Jeglicher sehe nicht auf das Seine, sonder das, was des Andern ist. Ebenso: Wer den Nächsten liebt, der hat das Gesetz erfüllet. Und damit dies so deutlich als möglich erscheine, bestätigen wir es durch Beispiele aus beiden Testamenten. Hat Moses, jenes Vorbild Christi, das Seine gesucht, als er begehrte von Gott aus dem Buch des Lebens getilgt zu werden, um das Heil des Volkes willen? Hat der Herr Christus sich und das Seine gesucht, welcher, da er doch der allmächtige Herr und selbst Gott war, für uns Mensch geworden ist, ein Knecht Aller, ein Fluch und der Elendeste von Allen? Siehe, so befiehlt er uns bei Johannes, daß wir uns untereinander lieben: Also liebt euch, spricht er, untereinander, wie ich euch geliebet habe. Hat endlich jener Apostel Paulus das Seine im Auge gehabt und gesucht, als er begehrte, verbannt zu sein für seine Verwandten die Juden? Ist aus allem diesem noch nicht klar, was der Apostel an die Corinther schreibt, nämlich: Die Liebe sucht nicht das Ihre? Ist es, sage ich, noch nicht völlig klar, daß das noch nicht Theologen seien das ist, die da suchen, was Gottes ist, sondern Anthropologen (damit ich mich inzwischen ein wenig der griechischen Sprache bediene) das ist Menschenweisheit suchende, die der Meinung sind, daß Selbstliebe die eigentliche Liebe sei? Denn was hat die rechte Liebe mit der Selbstliebe gemein? Ferner, wenn ein Mensch aus Liebe sich selbst lieben kann, so darf auch die Liebe das Ihre suchen. Wenn sie aber das Ihre suchen darf, so wird sie auch bisweilen das Ihre suchen (und es muß, wie Du selbst ohne Scheu hinzufügst, der Mensch sich selbst lieben, ja sogar sich selbst mehr lieben, als den Nächsten). Die Liebe sucht also das Ihre, und die Liebe sucht nicht das Ihre. Von diesen beiden Sätzen ist einer von beiden falsch, weil sie sich widersprechen. Wenn aber der Satz „die Liebe sucht nicht das Ihre“ wahr ist, so ist der Satz falsch „die Liebe sucht das Ihre.“ Siehst Du wohl, bester Mann, daß man nicht auf irgend eine Weise scherzen darf mit göttlichen Aussprüchen? und daß man sie nicht anders drehen darf, als wie sie liegen? Sonst wird es geschehen, daß derjenige, welcher sie misbraucht, von ihnen selbst der größten Gottlosigkeit angeklagt, gezwungen wird, zwei einander widersprechende Grundsätze zu gleicher Zeit (was auch bei den Sophisten den größten Schimpf bring) anzunehmen. Durch dieses Mittel also (isthoc medio), wenn irgend etwas falsch und der Lehre Christi und der Apostel ganz und gar widersprechend ist, kannst Du mir als einem Laien und Gefangenen nicht nur nicht beweisen, daß ich in einer Privatsache schwören müsse, sondern Du beweisest gerade in dieser Sache auf vielfache Weise, daß der Eid nicht geleistet zu werden braucht. Wenn du aber am Schluß sagst, auch die Liebe verlange es, so ist das falsch. Denn dieses Eid schwören ist ganz ungewöhnlich, und weil es von einem Gefangenen in seiner eigenen Sache gefordert wird, auch der Welt verdächtig, geschweige den Christenmenschen; ja sogar der Kaiser mit den Seinigen lacht über einen solchen Eid, als eine Lüge und rümpft (wie man sich ausdrückt) die Nase darüber. Aber dergleichen zu thun, was allen verdächtig, und für eine Lüge gehalten wird, das heißt die Liebe stark verletzen; man darf also nicht sagen, es verlange es die Liebe. Was Du übrigens anführst vom Eid der Verläumdung, und über Reinigung vom bösen Gerücht, bringt nichts zu Wege, als daß für den Eid der Verläumdung bei den leichtsinnig processirenden und im Stande der Freiheit vor Gericht handelnden von dem Kaiser im vierten Brief der Institutionen und im Rechtsbuche (d. h. dem corpus juris) eine Strafe festgesetzt worden ist. Und ich kann nicht durch einen solchen Eid mich vom bösen Gerücht reinigen, da er dem Verdachte unterliegt. Möge derjenige mich vom bösen Gerüchte befreien, der dies nach dem Recht thun muß. Derjenige aber ist rechtlich dazu verpflichtet, der mir durch seine äußerst unverschämten Lügen dasselbe erzeugt hat,, was der Herr sehen und richten möge1) Endlich, daß solche Art von Eiden den Christen von Christo verboten und diese nicht zu leisten sind, will ich mit wenigen und kurzen Sätzen und Zusammenfassungen aus Christi Lehre zeigen. Weil Du es mir neulich im Gespräche verneintest, so schreibe ich zunächst vorher die Worte Christi selbst, aus welchen der Beweis geliefert wurde, aus dem fünften Capitel des Matthäus ab, damit es einleuchtend sei, wie ich nicht etwas, das falsch ist, vorgebracht habe. Christi Worte sind aber nach der Uebersetzung des Erasmus folgende: Ihr hab gehört, daß zu den Alten gesagt ist „du sollst nicht falsch schwören, sondern du sollst dem Herrn, was du geschworen hast, halten.“ Ich aber sage euch: „Ihr sollt ganz und gar nicht schwören, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist sein Fußschemel, noch bei Jerusalem, denn sie ist eines großen Königs Stadt. Auch sollst du nicht bei deinem Haupte schwören, weil du auch kein einziges Haar weiß oder schwarz machen kannst. Aber eure Rede sei ja, ja, nein, nein, was hinzugefügt wird, kommt aus dem Uebel.“ Hieraus folgere ich, wo die Christen schwören und nicht schwören sollen, auf folgende Weise. 2).

  1. Matth. 5. unser Herr Christus, und Jacob inn seiner epistel am 5. cap. gebieten den Christen, das sie inn keinen weg schweren sollen, und nemen hinweg alle die macht und gebrauch der alten zu schweren.
  2. Der Herr Christus aber selbs und seine Apostel, und S. Paulus sonderlich, haben oft (wie man lißet) geschworen; thun sie anders dann sie leren? das sey fern.
  3. Derhalben muß man sehen, in welchen weg sie selbs schweren, und warumb sie gebieten, gar nit zu schweren.
  4. Nun lißet man an keinem ort, das sie geschworen haben, da es nit fürnemlich die ehre Gots, darnach die liebe, zu not und nutz des nehsten, betreffe.
  5. Darumb mögen auch die Christen nach dieser weiß und exempel schweren, ja sie sein es auch schüldig, und thun auch wol daran, und auff diese weiß wirt der alten macht und gebrauch zu schweren bestimmet, und sein selig alle die bei im schweren, wie im psalter steht.
  6. Derhalben wo es die ere Gottes, und die liebe des nehsten nit betrifft, sollen die Christen aller ding nit schweren, nach dem gebot Christi Matt. 5 und Jacobi am 5. cap. sonder yhr wort sollen sein ja ja, nein nein.
  7. Wo es aber uns selbs betrifft, da ist offenbar, das es nit die ere Gots, noch die liebe rc. antrifft.
  8. Darumb wa es uns selbs antrifft, da hat uns Christus gebotten, das wir aller ding nit schweren sollen, dann allein ja ja, neyn neyn sagen.
  9. Nun inn dieser meiner handlung (wiewol ungewönlich den gfangnen zu schweren ist, dannoch ich des angelangt werd von den geistlichen) trifft der eid mich selbs an, nemlich das ich dadurch meiner gefengnus entledigt werd, als die ketzermeister einmal oder drei selbs bekant und gesagt haben, nemlich, ich mög dieser gfengnus nit entledigt werden, wo ich nit den eid thun wöll, und kunden dannocht nit beweisen, das ein ley und gefangner solchen eid thun söll, oder schüldig sei zu thun.
  10. Derhalben inn dieser meiner handlung muß ich nit schweren, so fern ich gegen das gebot unsers Herrn Jesu Christi nit handlen wil, das ich nit thun sol, so lang Christus bei mir wirt sein mit seiner gnad (on welche wir nicht gutts vermögen) und solt ich darumb sterben,
  11. Dann man muß Gott mehr gehorsam sein dann den menschen. Act. 5.

Beschluß aller vorigen rede.

12. Wo es mich selbst antrifft, sol ich frei und offenlich on Eid die warheit sagen, nach dem gebott Christi Mat. 5

Aber wo es die glori Gottes, oder die liebe des nehsten rc. angehet, sol ich dieselbige mit Eid zu bevestigen nit weigern, nach Christi und der Apostel exempeln. So schweren die undersassen der Oberkeit, und also widerumb. Item, die gefangnen erledigt der gefencknuß thund urfrid3) rc.

Dies ist es, bester Mann, was ich zum Beweise meiner gegentheiligen Behauptung, obgleich ich rechtlich nicht dazu verbunden bin, da es Deine und der Deinigen Sache war mir gegen meine Einrede den positiven Beweis zu liefern, dennoch durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi vorbringen zu müssen geglaubt habe. Ich bitte, wenn bei Vergleichung mit der reinen und vollkommenen Lehre Christi etwas weniger angemessen gesagt sein sollte, daß Du dies mit einigen Worten wenigstens anzeigest, und ich werde mich nicht scheuen, alsdann dies sobald als möglich zu widerrufen, sei es auch vor den Augen aller Menschen. Endlich bemerkt Ew. Ehrwürden am Schlusse ihres Schreibens (an mich): Wenn ich in diesen Dingen Dir Genüge gethan habe, so beschwere es Dich nicht, in den einzelnen Artikeln meinen Irrthum mir anzuzeigen, was Du zu thun auch im Gespräche in meiner Gegenwart aus freien Stücken übernommen hast. Da ich aber in diesen Dingen Dir kein Genüge thun konnte, indem einerseits die sachlichen Gründe, andrerseits noch viel mehr die göttlichen Schriften mich drängten, so fürchte ich gleicherweise, daß auch Du jenem Geschäfte dich nicht besonders unterziehen werdest. Jedoch würde es mich auf besondere Weise freuen, wenn ich Deine Widerlegung, wie Du es in Aussicht stelltest, sehen könnte, nur daß sie etwas gewichtiger, und mehr als bisher mit den göttlichen Schriften gestärkt und befestigt wäre. Mein Plan war, Dir zuvor zu kommen, und meine Protestation aus hunderten von Stellen der canonischen Schriften zu bestätigen, welchen Plan ich durch die Gunst Christi noch nicht aufgegeben habe, wenn ihr nur zu Widerlegung derselben hervortreten und fortfahren würdet.

Gedenket wenigstens daran, daß die Schafe und die Kirche Christi auch allein Christi Stimme hören, und daß sie der anderen Stimme nicht nur nicht hören, sondern nicht einmal kennen, ja vor derselben fliehen. Gedenket auch dessen, was der Heiland bei Matthäus betont: Vergeblich dienen mir, welche Lehren und Gebote der Menschen vorbringen. Ebenfalls: Alle Pflanzung, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, soll ausgerottet werden. Lebe wohl in der seligsten Weise in Christo Jesu, dessen Gnade, Barmherzigkeit und Frieden ich wie Allen, so vor Allen Dir anwünsche. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch Allen Amen. Nochmals lebe wohl und bitte unsern himmlischen Vater, daß er zur Heiligung seines Namens uns in dem rechten Glauben Christi und in ungeheuchelter Liebe täglich je mehr und mehr wachsen lasse, und uns bis zum Ende standhaft erhalte, was wir durch Seine Gnade kräftiglich hoffen.

Aus dem Gefängnis, am Festtage Johannes des Täufers4) 1528.

Wenn Du dies vorher durchgelesen hast, so theile es mit dem Vertrauen, mit welchem ich es Dir geschrieben habe, andern Gläubigen mit, und empfehle es, und was ich für Dich sowohl bei unserm Herrn und Bruder Christus und bei den Menschen vermag, darin halte Du mich für ganz bereitwillig. Darum aber wünsche ich, daß Du und die Deinigen Dich meinetwegen bemühen möchtest, damit dies mein Trauerspiel, dessen Verhandlung über alles Maß und gegen alle Sitte langwierig und langdauernd ist, sobald es nur geschehen kann, sei es ein fröhliches, sei es ein trauriges, Ende und Ausgang gewinne. Denn ich bin durch die Gnade des himmlischen Vaters und unseres Herrn Jesu Christi zu Beidem bereit, sei es Christum zu bekennen, oder dem sichern Tode anheimzufallen. Ich bitte daher, kommt mit Christo, kommt mich zu belehren aus den canonischen Schriften und meinen Irrthum anzuzeigen, von dem ihr so viel Aufhebens macht. Christi Schaf bin ich, obgleich unter allen das kleinste, verachtetste und geringste, aber ich bin doch Christi Schaf, weshalb ich des einigen Christus Stimme zu hören mich rühme.

Adolf Clarenbach
Gefangener im Namen Christi
Jesu Emmanuel.


1) Clarenbach bezieht sich hier wahrscheinlich auf die Anklagen des Fiskal Trip, welche er in dem Verhör als unverschämte Lügen bezeichnet. Vergl. Alle Acta.
2) Die folgende Passage ist aus dem Brief Clarenbachs an Klopris entnommen, den ich später ebenfalls abschreiben und hier einfügen möchte. Dadurch erklärt sich auch der Unterschied in der Sprache. In der mir vorliegenden Quelle fehlen zu diesem Brief in der Übersetzung die zwölf Punkte; stattdessen gibt es einen Hinweis: „Es folgen hierauf sämmtliche 12 Sätze, die in dem vorhin mitgetheilten Briefe Clarenbachs an Klopreis in deutscher Sprache gegeben sind. Wir lassen sie deshalb hier in der Uebersetzung des Schreibens an Romberch weg indem wir auf die obige Stelle hinweisen.“ So erklärt sich auch der sprachliche Unterschied
3) Urfrid, gewöhnlicher Urfehde, ist die eidliche Versicherung, daß man eine erlittene Vergewaltigung nicht rächen wolle. Eine solche mußten auch diejenigen leisten, welche aus dem Gefängnis entlassen wurden.
4) Hiermit ist nicht der Gedenktag der Geburt des Johannes (24. Juni) sondern der Gedenktag des Todes (29. August) gemeint.


Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins
herausgegeben von Prof. Dr. W. Crecelius
Neunter Band
Bonn 1873
In Commission bei A. Marcus

Philipp von Hessen – An Carlstadt

20.8.1529

Philips von gots gnaden Lantgraue zu Hessen, Graue zu Cazenelnbogen rc.

Hochgelarter lieber besunder. Ewr schreiben, darin ir begert euch zu dem gesprech, das wir des Sacraments halber Zwuschen den vornembsten der gelerten angereicht haben, auch kommen zü lassen, Das haben wir empfangen, alles seines einhalts nach der lenge verlesen und wollen euch darauff genedig meynung nicht verhalten. Das nicht wenigerwir haben etzliche der geleerten von den vornembsten zu einer umherrede des Sacraments halber beschrieben und auch dahin vermucht, das sie zusamenzukomen mit Gotes verleihung des Almächtigen, uns zugeschrieben, aber mit der Condition, welche wir im besten aus sunderlichen ursachen vorhin angesehen und bedacht haben, umd minders gezencks willen, und das wir hoffen, es solle diese ehe zur freuntlichen und einmutigen vergleichung dienen.

Da solchs ein sonders geheim, freuntlich und undisputirlich gespräch, on einicher weitläufigkeit und Zangkung sein soll, Darumb auch wir unterlassen vile dazu zuerfordern und muchen vor uns erleiden, das ir dabei auch weret, wissen aber nit, ob es denen, die wir dazu mit oberzelter Condition beschrieben haben, gelegen sein will, derohalben muget ir bei dem Luther ansuchen und sso es dem zu gefallen ist, mit oder neben Ime zu demselbigen des Zeit und Malstatt Ir alsdenn von Ime vernemen werdet, erscheinen. Sein euch sonst zu gnaden gewogen.

Urkunden aus der Reformationszeit
Ch. Gotthold Neudecker
Cassel, 1836
Bei J. C. Krieger

Luther, Martin – An den Kurfürsten Johannes, vom 17. August 1529.

Wahrscheinlich damit Luther in Marburg anständig erscheinen könne, hatte sein Kurfürst ihm ein Geschenk an Kleidern gemacht. Luthers Danksagungsschreiben ist ein Zeugniß seiner Genügsamkeit und Demuth.

Gnade und Friede in Christo. Durchlauchtigster, Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr! Ich habe lange verzogen, E. K. F. G. zu danken für die geschickte und geschenkten Kleider und Gewand. Aber ich will E. K. F. G. unterthäniglich bitten, E. K. F. G. wollten nicht gläuben denen, so da mich dargeben, als habe ich Mangel. Ich habe leider mehr, sonderlich von E. K. F. G., denn ich im Gewissen vertragen kann; mir gebührt auch, als einem Prediger, nicht Ueberfluß zu haben, begehr es auch nicht.

Darum ich auch E. K. F. G. allzu milde und gnädige Gunst also spüre, daß ich mich gleich fürchte; denn ich ja nicht gern hie in diesem Leben wollte mit denen erfunden werden, zu welchen Christus spricht: Wehe euch Reichen, ihr habt euren Lohn dahin (Luc. 6, 24.). Zudem auch, weltlich zu reden, wollte ich auch nicht gerne E. K. F. G. beschwerlich sein, als der ich weiß, daß E. K. F. G. des Gebens so viel hat, daß sie freilich zu solchem Stand nichts übrig haben mögen; denn zu viel zerreißt den Sack.

Demnach wiewohl es zu viel wäre gewesen an dem lederfarbnen Tuch; auf daß ich aber E. K. F. G. dankbar sei, will ich auch E. K. F. G. zu Ehren den schwarzen Rock tragen, wiewohl er mir doch ja zu köstlich ist, und wo es nicht E. K. F. G. Geschenk wäre, ich nimmermehr solchen Rock tragen könnte.

Bitte derhalben, E. K. F. G. wollten harren, bis ich selber klage und bitte, auf daß ich durch solch Zuvorkommen E. K. F. G. nicht scheu werde, für andere zu bitten, die viel würdiger sind solcher Gnaden. Denn E. K. F. G. thut mir ohne das zu viel. Christus wird und soll es gnädiglich und reichlich erstatten: das bitte ich von Herzen, Amen. Den 17. August 1529.

E. K. F. G. unterthaner Martinus Luther.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862

Luther an Landgraf Philipp von Hessen

16.12.1529

Gnad und Friede von Christo Jhesu. Durchleuchtiger, hochgeborner Furst, gnädiger Herr! Ich hab E. F. G. Schrift durch diesen Boten empfangen und vernommen, was ungeschlachts Dinges durch die Pfaffen in den Kaiser gebräuet wird, und hoffe zu Gott, der sich im Psalter rühmet, daß er der gottlosen Fürsten und Leute Anschläge zu nichte macht, werde uns itzt auch erhoren, und solche Anschläge zu nicht machen, allermeist, weil sich itzt die Pfafferei so hoch ruhmet und trotzet auf den Kaiser und menschliche Hulfe, und gar nichts nach Gotte fraget, noch ihn anruft. Gott behute nur uns auch, daß wir nicht auf unser Witze und Kraft pochen, sondern seiner Hulfe begehren und gewarten, so wird sie gewißlich kommen. Daß auch E. F. G. begehrt, wo ich wurde zu Rath gefragt, m. gn. Herrn dahin helfen bereden, daß man dem Kaiser in die Hulfe wider den Turken nicht willige, es werde denn zuvor ein gemeiner Friede zugesagt und gemacht rc.: so bin ich bisher noch nicht ersucht, weiß auch gar nichts, wie es zu Speyr itzt oder zu Schmalkalden gehandelt ist, wo die Sache stehe oder gehe, daß ich auch dieß mal nichts weiß hierauf zu antworten; kompts aber dazu, will ich, ob Gott will, in das Beste helfen rathen, denn mir solche Sache alsdenn auch wird ins Gewissen kommen, und wohl gezwungen werde, das Beste zu rathen. Indeß will ich bitten, so viel ich mag und kann mit Gottes Gnaden, daß nicht der Pfaffen Wille, sondern Gottes Wille geschehe, Amen. Ich befelh E. F. G. in Christus Gnad, Amen. Dornstags nach S. Lucie 1529.

Martinus Luther.

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Siebenter Band.
Briefe vom Oktober 1528 – Juni 1530
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1897