Luther an Johann Purgolt, Bürgermeister in Eisenach

31.12.1529

Gnade und Friede in Christo. Lieber, vorsichtiger, lieber Herr und Freund! Was die zu Eisenach mit euerm Eidam fürgenommen haben beide des Brauen Rechtens und Schulampt zu entsetzen, hat mir und Mag. Philippo nichts gefallen und ist uns auch leid. Demnach haben wir alle beide dem Hauptmann zu Warpurg geschrieben, der Hoffnung, M. Scholl, euer Eidam, soll bei dem Schulampt behalten werden; denn obgleich ihr Fürnehmen nicht aus Neid, als nicht wohl zu glauben, daher wachse, so sein doch jetzt zur Zeit nicht so viel Leute fürhanden, daß man ihren Gedanken nach eitel Philipp Mel. oder dergleichen erwähle und ihnen zufertige. Derhalben bitt ich, wollet gute Freunde und Bürger von meinetwegen mit angezeigter, so es noth ist, Schrift vermahnen, daß sie helfen dem Neid widerstehen und sich an Mag. Scholl beruhen lassen, daß sie nicht ein Wechsel erfahren, der sie darnach gereue. Denn es ist ein Ding bald geändert, aber nicht so bald gebessert. Wechsel ist mißlich, darumb leide sich jedermann und halt was er hab, daß Gott nicht den Undank strafe. Solchs habe ich guter Meinung nicht wollen verhalten, denn euch und den Euern zu dienen bin ich willig. Hiemit Gott befolhen. Datum Wittemberg, Anno MDXXVIIII.
Martinus Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Siebenter Band.
Briefe vom Oktober 1528 – Juni 1530
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1897

Melanchthon, Philipp an Georg Melanchthon

Du hast also dein Versprechen hieher zu kommen nicht gehalten, wie ich doch so sehr gewünscht hätte. Jeden Tag habe ich auf dich gehoft, und dies aus zwei Ursachen: Erstlich wollte ich gern noch mehr von dem Tode meiner Mutter wissen, von welchem du mir so wenig geschrieben hast. Ich weihe ihr noch manche Thräne. Daß sie noch meiner in ihren letzten Augenblicken erwähnt hat, freuet mich herzlich. Kannst du dich von Geschäften los machen, so komm und erzähle mir alles ausführlich. Sodann solltest du mich auch bei meinen jetzigen Sorgen trösten und aufrichten. Mein Herz ist voll von Kümmernissen. Die beiden Männer Luther und Zwingli können nicht übereinkommen, welches doch mein sehnlichster Wunsch wäre. Herr, wenn wirst du Friede in deinem Reiche schaffen! Man wird sich noch so lange streiten, bis es den Heiden ein Greuel ist. Da disputiren sie über das Abendmahl, gleich als ob sie in den Himmel gesehen und Jesum gefragt hätten, wie er die Worte: das ist mein Leib! verstanden habe. Sie werden es doch hier auf Erden nicht ausmachen. Und es gehört auch wohl nicht für uns Schwache, alles ergrübeln und erforschen zu wollen. Genug wenn wir nur wissen und glauben, was zu unserm Heile nöthig ist. Das übrige macht nur Zank, woran der Herr gewiß keinen Gefallen hat. Ich für meinen Theil werde so gesinnt bleiben und mich nicht versündigen. Geschrieben zu Marburg im Jahr 1529.

Philipp Melanchthons Leben
ein Seitenstück zu Luthers Leben
Johann Friedrich Wilhelm Tischer
Leipzig 1795
bei Voß und Compagnie

Melanchthon, Philipp – An seinen gelehrten Freund Johannes Oekolampadius, über den Abendmahlsstreit

Aus dem Latein. übersetzt von W.K.

Ich habe etliche Briefe von Dir erhalten, welche, weil in ihnen viele nicht undeutliche Zeichen Deiner alten Liebe gegen mich und Deiner unveränderlichen freundschaftlichen Gesinnung sich finden, mir sehr erfreulich gewesen sind. Demn meine Gesinnung gegen Dich ist noch immer die, welche sie stets gewesen ist. Von jeher aber hab‘ ich, von tiefer Verwunderung Deiner Gelehrsamkeit und deiner ausgezeichneten Eigenschaften erfüllt, Dich nicht nur unbeschreiblich lieb gehabt, sondern auch mit besonderer Pietät verehrt. O wären doch die Zeiten so, daß wir dieser unsrer Freundschaft uns ganz hingeben könnten! Aber da ist der furchtbare Zwiespalt in Betreff des heiligen Abendmahls eingetreten, der unsern alten freundschaftlichen Diensteifer, in welchem wir gewöhnlich Einer den Andern zu übertreffen suchten, gehemmt, jedoch mein Wohlwollen gegen Dich nicht geschwächt hat. Solltest Du also irgend Etwas an meinem Diensteifer vermissen, so bitte ich Dich, Du wollest dieß der Zeit vielmehr, als meiner Treue zurechnen.

Was nun die Sache, welche Du vertrittst, anlangt, ist es mir sehr schmerzlich, daß gerade über das Uneinigkeit entstanden ist, was von Christo angeordnet worden, um eine unauflösliche Liebe zu begründen. Du weißt aber, daß ich bei diesem Kampfe bisher mehr Zuschauer, als thätiger Theilnehmer gewesen bin. Auch hab‘ ich viele wichtige Ursachen, warum ich mich nicht in einen so verdrießlichen Streit mischen mochte. Inzwischen hat doch nie eine Sorge um irgend eine Sache mein Gemüth mehr beunruhigt, als die Sorge um diese Angelegenheit. Auch hab‘ ich nicht nur bei mir selbst nachgedacht, was sich wohl dafür oder dagegen sagen lasse, sondern ich hab‘ auch die Meinungen der Alten über diesen Gegenstand geprüft. Denn ich möchte nicht als Urheber oder Vertheidiger irgend eines neuen Dogms’s in der Kirche dastehen. Nachdem ich nun Alles, was auf beiden Seiten am besten begründet scheint, erwogen, will ich es, mit Deiner Erlaubniß, aussprechen; – doch Deiner Meinung trete ich nicht bei. Denn ich finde keinen zuverlässigen Grund, der meinem Gewissen genügen könnte, um von der eigentlichen Bedeutung der Worte abzugehen. Ich habe aber bis auf diesen Tag Nichts über diese Angelegenheit geschrieben, weil ich voraus sah, daß unbillige Richter, was ich auch schreiben möchte, behaupten würden, ich sei von Luther, gleichsam als ein um Hause gehöriger Zeuge, beauftragt. Meine Meinung würde doch kein Ansehen gehabt haben, weil es geschienen hätte, als sei sie zu Gunsten eines Andern geschrieben. Du aberwirst, hoffe ich, über meine Gesinnungen besser urtheilen.

 

„Denn wie des Hades Pforten, so ist mir ein Solcher zuwider,
Welcher im Herzen Anderes birgt, und Anderes ausspricht.“
Homer
Denn wie ich auch immer sonst sein mag, so bin ich doch wenigstens nie jenen Epikuräern geneigt gewesen, wie es deren in unserer Zeit gar Viele gibt, welche der Religion spotten, und ihr Vergnügen daran finden, in den wichtigsten Angelegenheiten die Menschen zu täuschen. Stets bin ich, wie Du weißt, mit Eifer der christliche Lehre zugethan gewesen, und eben darum ließ ich es mir angelegen sein, sie genau kennen zu lernen. Auch habe ich nicht ohne manche Mühe bei dem Suchen nach dem, was ich als zuverlässig annehmen könnte, von den scholastischen Meinungen, ja zum Theil auch, wie es einige Beweise gibt, von den Meinungen meiner Freunde mich los gerungen. Haschte ich nach Gunst, so würde ich, da ich gar wohl weiß, wie viele große und gelehrte Männer Eure Partei zählt, deren Freundschaft zu gewinnen, nicht unversucht lassen. Ich würde also auch, wenn Eure Meinung über das heilige Abendmahl mir zusagte, mich ohne Rückhalt zu derselben bekennen.

Ihr behauptet, es werde der Leib des abwesenden Christus, gleichsam wie in einer Tragödie, vorgestellt; ich aber weiß, daß es eine Verheißung Christi gibt: „Ich werde bei Euch sein, bis an das Ende der Welt!“ und ähnliche, bei denen es nicht nötig ist, von der Menschheit die Gottheit zu trennen; und dem zu Folge halte ich dafür, dieses Sacrament sein ein Zeugniß der wahren Gegenwart. Weil nun dem also ist, so bin ich überzeugt, daß in jenem Mahle die Mittheilung des gegenwärtigen Leibes Statt finde. Da die eigentliche Bedeutung der Worte mit keinem Glaubensartikel streitet, so ist kein zureichender Grund vorhanden, dieselbe zu verlassen. Auch stimmt diese MEinung von der Gegenwart des Leibes mit andern Schriftstellern überein, welche die wahre Gegenwart Christi bei uns, lehren. Denn die Meinung ist des Christen unwürdig, Christus habe einen Theil des Himmels also eingenommen, daß Er in ihm, gleich wie in einem Gefängnisse eingeschlossen, wohne. Du stellst eine Menge ungereimter Folgerungen zusammen, welche aus dieser Meinung hervorgehen. Du stellst ferner einige Aussprüche der Alten zusammen, welche für Dich zu sprechen scheinen. Aber am so genannten Ungereimten wird weniger Anstoß nehmen, wer nur bedenkt, daß man himmlische Wahrheiten nach dem Worte Gottes, nicht nach geometrischen Grundsätzen beurtheilen müsse, ja wer durch eigene Kämpfe gelernt hat, daß keine Gründe zu finden sind, welche dem Gewissen eine befriedigende Belehrung gewährten, sobald es sich vom Worte Gottes entfernt hat.

Ich erkenne an, daß in den Stellen, welche aus den Alten angeführt werden, einige Verschiedenheit Statt finde. Wer jedoch aus ihnen mit bedächtiger Prüfung die Aussprüche der angesehensten Schriftsteller ausheben will, wird sehr vielen finden, was beweist, die Meinung, welcher wir folgen, sei auch die allgemeine Meinung der alten Kirche, so weit wir sie kennen, gewesen, obwohl Du, als ein beredter Mann, einige Stellen zu spitzfindig erklärest, und gewaltsam nach Deiner Meinung deutest. Wenn die Alten von der Auferstehung handeln, führen sie das heilige Abendmahl an, und nach meiner Meinung nicht unpassend; denn Christus deutete den Aposteln an, daß er auferstehen werde, weil Er den gemeinschaftlichen Genuß seines Leibes anordnete. Denn der Leib mußte doch leben, der uns mitgetheilt werden sollte. Wären nun die Alten der Meinung gewesen, daß uns der abwesende Leib vorgestellt werde, wie hätten sie daraus die Auferstehung beweisen können? Es hätte ja, auch wenn Christus nicht auferstanden wäre, doch sein abwesender und verwester Leib uns vorgestellt werden können, so wie etwa Hektor in der Tragödie.

Doch ich will hier keine umständliche Abhandlung geben, sondern schreibe Dir dieses nur, damit Du meine fortwährende freundschaftliche Gesinnung erkennen möchtest. Doch wollte ich auch meine Meinung nicht verhehlen, und bitte Dich, zu erwägen, welch‘ eine wichtige, gefahrvolle Sache Du unternommen. Es ist ein wahres Wort, daß man durch zu vieles Streiten der Wahrheit verlustig wird; und sie ist noch weit mehr bei diesen so ungestümen Zänkereien gefährdet. Daher dürfte es wohl besser sein, wenn in Betreff dieser Angelegenheit einige redliche Männer zu einem Colloquium sich vereinigten. Ich sehe wohl, welcher Same zu diesen Händeln in den Schriften der Alten ausgestreut ist; ja er findet sich auch in einigen neuerdings vor diesen Unruhen erschienenen. Ich sehe, daß Eure Sache auf die Hilfsmittel des Witzes und Scharfsinnes sich stützt, und daß Ihr nicht bloß öffentliche, sondern auch geheime Künste anwendet, um Aufsehen zu erregen, und ich zweifle, ob diese Euch wirksamer fördern als die öffentlichen. Deine Bescheidenheit ist mir hinlänglich bekannt; darum halte ich es nicht für nöthig, Dich zu erinnern, Du wollest bedenken, daß auch scharfsinnige, kluge Leute bisweilen fallen können, und gerade in geistlichen Dingen ist die zu große Zuversicht auf den eignen Verstand gefährlich. Du weißt, daß geschrieben stehet (Hiob 41,25, Sprichw. 16,5): „Der Hewrr hat Gräuel an Allem, was hoch ist in der Welt;“ und es gibt deren noch weit mehrere, als man vielleicht meint, welche nur das in der Religion festhalten, was sie mit ihrem Verstande erforschen und begreifen konnten. Zuletzt bitte ich Dich, Du wollest diesen meinen Brief, der in der freundschaftlichsten Absicht geschrieben ist, günstig aufnehmen. LEbe wohl.

Speier, im Jahre 1529

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1829

Bitt der Kirchendiener zu Hall an den Rath daselbst, Cristenliche Ordnung furzunemen.

1529.

Erbar, weys und fursichtig Herrn. Es tregt E. W. gut wissen, was fur ein grausam geschrey und jemerlich Handlung vom Turckiechen Tirannen ytz vorhanden seyen, dardurch aller ander Cristenlicher hertzen vonwegen der not und angst jren verwandten nachbauren und mitglaubigen, so von dem Turcken ellendlich verhext und verschlaift, billich entsetzt, erschreckt und zu ernstlichem mitleyden, auch underthenigem furbit gegen Unserm Herrn Got geraitzt und gezogen sollen werden. Dieweyl nu uns als den unwirdigen der Kirchen sorg bevolhen und wir auss teglicher erfarnus des gmeinen pobels unachtsamkait, auch rowloss leben also befinden, das weder zucht noch ordnung, wollen geschweigen cristlich besserung des lebens on stete empsige anweysung gotlichs worts an jnen erlangt und erholet werden mogen, So bitten wir E. W. underthenigklich, wolle uns all Sontag zur vesper und all donnerstag zum tag ampt ein Cristenlich Litanei, das ist Gemein gebet zusingen sampt vorgender predig wider den Turcken vergonen und erlauben.

Wir haben wol, wie e. w. wussend, bisshieher allen feyertag gemein gebet in der Kirchen gefurt, darin gleichwol wider die Tirannei des Turcken aber doch verborgenlich gebetet wurdt. Auch so wir in unserem teglichen predigen das volck zur besserung des lebens ermanet, haben wir eben mit dem selben das recht mittel getroffen, dardurch der Turck uberwunden und vertriben werden mocht. Zu dem so ists wol war, das eusserlich gemein Kirchengebet on besserung des sundtlichen lebens und on ernstlich heimlich stet seufftzen gegen Got geringen nutz bringt. Idoch so ist das jung volck und gemein pobel so farlessig und unachtsam, das es sich wenig umb ander Cristenmenschen leiden und anfechtung bekumert, man teuts dan jnen mit fingern und stelle es jnen offenlich fur die augen, Wais auch nit fur sich selbs, was oder wie es sich in einem jeglichen gegenwärtigen nodt halten, und ob oder wie es doch unsern Herrn Got bitten und anrufen sol.

Hieruff diser ungeschicklicheit zubegegnen were unsers bedunckens vast nutzlich und dienstlich, so in der wochen zwey oder dreimal ein predig von Turcken gehalten und gmein Litaney gesungen wurdt, das wir auss e. w. erlaubnus gantz gehorsamlich und willigklich anrichten und mit der Hilff Gottis gern vollbringen wollen.

Das aber die gemein kirch auch fur e. w. dester frolicher und mit besserm gewussen unsern Herrn Got bitten kond, So bitten wir e. w. unser person halb underthenigklich, aber unsers ampts halben, so wir unwirdigklich tragen, ermanen wir Euch durch unsern Herrn Got ernstlich, das E. W. die ergernus des Bepstlichen missglaubens, noch zum tail allhie in der Stat aufrichtig, mit fuglichen mitel, sovil einer Cristenlichen Oberkait muglich furkomen wolle. Dan E. W. ist wol bericht, das die Bepstlich mess ein solicher abergraw vor unserm Herrn Got ist, das Er von der selben wegen, wie by den Juden von wegen jrer abgotterey, also by den Cristen land and lewt verderpt, verhert und gantz verschlaift. Und wo das E. W. noch nit bericht were, wolten wir dasselb sampt gotlicher Hilff mit allem fleis und warhait auss der hailigen geschrift thun zu welcher zeyt wir erfordert wurden.

Nun helt man noch teglich on underlass in der Schupach die Bepstlich mess, auch zu sant Johans. Wiewol aber E. W. der Kirchen sant Johans halben ein entschuldigung haben mocht, das ie Irer Oberkait nicht underwurfflich sey, und gebur keinem seinem »Iten herkomen mit unordenlichem gwalt zuwern, Wir auch selbs nit raten wollen, etwas mit unordentlichem gewalt auszurichten: So bednnckt doch uns, wo ein grosserer lust zu dem Evangelio den zu dem gunst der gewaltigen getragen wurd, es were vor langest durch bequem mittel zu Sant Johans ein cristenliche ordnung angericht Und furnemlich kan e. w. der Schupach halb gar kein entschuldigung haben. Dan die selb Stifftung, sovil wir wussens tragen, ist zum mehrer tail in e. w. handt gestellt und mag derhalben auss craft jrer Oberkait aufs cristenlichst und nutzlichst angericht werden. Wolten schon die Stiffter oder erben diss nit vergonnen, So wer es doch E. W. und der gantzen Stat ril nutzer und besser, das gelt der Stifftung gar lassen faren, dan ein eoüchen abergraw in jrer Stat zugedulden. Ja ob schon E. W. ytz d gelt der Stifftung wider den Turcken wendet, wie solt dasselb nit mögen vor den Stiffter vor gaistlichen und weltlichen verantwort werden? Dieweyl doch auch die Bepstlichen Fursten und Oberkaiten jtzundt pfrunden der meynung einnemen, das sie die nutzung wider den Turcken zuwenden furgeben. Darumb bitten wir fleissig, E. W. wolle jr die schmach, so unserm Herrn Jesu Cristo teglich in der Bepstischen mess widerfert, zu hertzen gen lassen und die selben fuglicher weys, wie ytzundt antzaigt, furkomen, Oder doch auff das allerwenigst die nutzung der Stifftung in der Schupach aufheben, biss auff ein anortnung eins gmeinen Conciliums. Dan wo e. w. so kaltsinnig ytz in der nodt wie vorhin in diesem handel sein wurdt, wie kunden wir mit frolichem gewussen fur E. W. unsern Herrn Got bitten? Wie kan oder mag der Cristenlichen Kirchen gebet Euch zu gutem und wolfart geradten? Wie kont Ir mit gutem gewussen des Turcken gewertig sein, dieweyl Ir die schmach des Gottis, so ewer nothelffer sein soll, oneulich gedulden, ja mit demselben darein verwilligen und doch gepurlicher weys wol weren kundten. Es ist vil ein ander ding umb ein Oberkait dan umb ein underthon. Der underthon ist wol entschuldigt, das er leidet ein offenliche schmach Gottis. Aber wan das selb ein Oberkeit gedult und kan es mit gotlichenn billichen mitteln wem, thuts aber nit, so gedeyt die schmach gottis eben als wol uber die Oberkait als uber den Jhenigen, so sie volnbringt. Was hilffts dan, wan man schon lang fur eine soliche Oberkait bittet und grossen ernst vor Got furwendt? So es doch als wenig fasselt als das gebet Mosi fur pharaonem oder Samuelis fur den konig Saul. Dises bitten wir underthenigklich wol e. w. bedencken und jrm beruff trewlich nackkomen. Weyter so lesen wir im propheten Jona, das unser Herr Got Im furnam, die gross Stat Ninive zu vertilcken und schickt derhalben den propheten Jonam dahin, das er dasselb solt in der Stat ansagen und verkundigen, sprechend: Es sind noch viertzig tag, so wurt Ninive umbgekert. Nun glaupt das gemein volck nit allein diser predig, Sie besserten auch nit allein jr leben mit fasten und angezogen secken, dasselb antzaigendt oder beweysendt: Sonder die Oberkait griffs auch selbs an. Dan da das geschray fur den konig zu Ninive kam, stund er auff von seinem tron und legt sein purpur ab und hullet einen sack umb sich und satzt sich in die Aschen und Hess ausschreyhen -und gebietten zu Ninive aus bevelh des konigs und seiner gewaltigen also: Es sol weder menschen noch thier, weder ochsen, schaff etwas essen, Und man sol sie nicht waiden noch wasser trincken lassen, und solt seck umb sich hullen, baid menschen und thier und zu Gott ruffen hefftig, Und ein igklicher beker sich von seinem bossen weg und von frevel seiner hend.

Das mocht wol ein eeltzam affenspiel sein gewesen, das nit allein den menschen, sonder auch den unvernunftigen thiern zu vasten von dem konig gebotten ward. Aber man sehe es an, wie man wol, so hat der konig mit dissen stucken sein und des volcks ernst beweysen und antzeigen wollen, das sie ein forchtsam rewig hertz und diemutig gewissen auss der gotlichen predig entpfangen haben. Dardurch ist auch Gott also erwaicht worden, das er jnen die straff nachgelassen hat.

Dieweyl nu die itzig not und geverlichait eben als hefftig ist als deren zu Ninive, und wer waisst, Ob wir noch viertzig tag lang vor dem Turcken und der zerstorung unsers lands wie die Niniviter acherhait haben: So wil es auch e. w. als einer Cristenlichen Oberkait geburn und erhaisch die gegenwurtig not, das auss ordnung gotlichs worts und nach dem vorbild des konigs zu Ninive e. w. allen jren underthonen ernstlich gebieten lass, hie zwuschen kein offenliche hochzeit zubegen, kein offenlichen Tantz zuhaben, kein offenliche gemein zech auff den Stuben oder wirtzheussern zuhalten, Oder zum wenigsten, das am feyertag all offenliche zech zur vesper zeit ein end solten haben und menigklich in die Kirchen zur Letaney zagen vermanet werden. Auch die weyber kein hochzeitlich geschmuck zutragen, damit menigklich vor Got und menschen sein rewig hertz, sein sundtlich leben und sein ernstlich bitten bezeugt und bewiss. Dan als Uria sagt: Wie solt es sich reymen, das unsere verwandten und mitbruder im feld wider den Turcken ein bartselig leben furten, und wir hie zwuschen im sauss und allen freuden lepten. Disse stuck seyen wol kindisch, ja gleyssnerisch und dem gemeinen nutz schedlich anzusehen. Dan wo man nit vil zecht, da gets am ungelt ab. Man muss aber gedencken, das sich der Turck nit mit dem ungelt, so von der menschen fullerey ver»amelt, Sonder von der besserung unsers lebens vertryben lasst. Auch so vil an* dem zechen erspart wurdt, so kan der gemein man dester mer stewerung wider den Turcken auss anfordcrung der Oberkait erlegen. Zu dem das solich weys und ordnung den ernst by dem gemeinen man schaffen und in allweg zu merer gehorsam und milterer handtreichung bewegen, auch by unsern nachbauren gut exempel erzaigen wurd.

Über das alles wer waiss? Wie im propheten Jona stet: Got mocht sich dardurch bekeren und rewen und sich wenden voü sei~ou grimigen zorn, das wir durch den Turcken nicht verderben. Wit wollen setzen, es sey schon kein ernst, auch kein rechtgeschafne besserung des lebens darhinder (welche doch unser Herr Got gnedigklich wenden wol und bessers zu Im verhoffen), So haben doch wir auss dem vorbild des konigs Ahabs erlernt, das unser Herr Got so barmhertzig und gnedig ist und lasst sich auch einr gleyssners diemutikait von dem zorn abwenden. Dan als der konig Ahab von Elia hort, das sein geschlecht solt aussgerot werden, zerrreys er seine cleider und legt ein sack an und ging krum einher. Wiewol nu Ahab sonst ein ertzbub ware und die besserung des lebens in verborgenheit seins hertzen nit ernstlich meinet: Idoch sagt Got -zuHelia: Hastu nit gesehen, wie sich Ahab vor mir bucket? Weil er nu sich vor mir buckt, wil Ich das ungluck nit einfuren by seinem leben. Also on zweyfel, so unser Herr Got unsern ernst in den Eusserlichen ordnungen sehe, und schon im grund (das er barmhertzigklich verhuten wol) kein ernst were, So mocht er sich doch bewegen lassen; wolt er ye den zorn nit gar von uns abwenden, wurd er uns doch by unserm leben frid geben. Darumb Erbar und weys Herrn, bitten wir abermal, E. W. wolle in dissem fall dem frumen konig zu Ninive in sein fusstapfen tretten und den Ernst der gegenwertigen geferlikait mit Cristenlichen Ordnungen, wie antzaigt, vor menigklich beweysen. Und wo es E. W. geliept, So haben wir ein vorgebne copey eins statut hieby gelegt gestellt, nicht E. W. etwas furzuschreyben, Sonder allein unser meynung vergebisser weys anzuzaigen. Setzen ditz alles in e. w. willen und wolgefallen. Und wo wir in diser und ander sachen etwas mer kunden raten, thon oder helffen, wollen wir alweg ungesparts fleys gehorsam erfunden werden.

E. E. W. underthenige und gehorsam

Johan Isenman, pfarher zu S. Michel.
Johan Brentz, prediger.
Michel Greter pfarher zu S. Katherin.
Nicolaus Trabant, helter zu S. Michel.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Brenz, Johannes – An Markgraf Georg zu Brandenburg. (31. December 1529)

Durchleuchtiger hochgeborner furst. Unsers HERRN gottis gnad sampt meinem underthenigen alzeit bereiten gehorsamen dienst zuvor. Gnediger herr. Nach dem Ich in vergangenen tagen ein buchlin mit des Schwenckfelds Annotationibus ad marginem verzeichnet von E. f. G. undertheniglich entpfangen, hab Ich darauff mein antwort, wie E. f. G. im hiebey gelegten libell finden wurdt, begriffen, nit der meinung, das des Schwenckfelds gegenwurff von wegen Irer ungeschicklicheit einer antwort werdt seyen, Sonder das der pfarher, dem das verzeichnet büchlin zustendig und villeicht dardurch in ein zweyfelung und Irthum gefallen, die andern partey weh höret und darauss in der sach ein underricht erlangte. Hiemit sev E. f. g. unserm HERRN gott bevolhen, und E. F. G. underthenigen gehorsam zu beweysen will ich allweg bereit erfunden werden. Datum zu schwebischen hall 31. die decembris Anno XXIX. E. F. G. alzeit undertheniger und gehorsamer

Iohann brentz prediger zu hall.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Luther, Martin – An Jakob Probst (1529)

Gnade und Friede im Herrn. Ich ersehe aus deinem Briefe, mein l. Jakobus, daß du geistig müde bist vor Eckel an dem gottlosen Wesen, welches du sogar von Tag zu Tag wachsen und sich erheben sehen mußt, so daß du deinen Ort zu ändern oder zu verlassen gedenkst. Hüte dich, es zu thun, denn wenn du nur die Guten tragen willst, was thust du weiter? Thun nicht die Zöllner und Heiden dasselbige? Handle männlich, und laß dein Herz getrost sein und füge dich dem Herrn. Gedenke des heiligen Mannes Loth, und erinnere dich, wie der Apostel Petrus vorhergesagt und angenommen hat, daß alle Christen in den letzten Zeiten dem Loth gleich sein werden. Wir sollen also nicht von Sodom ausgehen, noch es verlassen, bis der Engel vom Himmel kommt und uns zurückbringt.

Die Welt ist ein Sodom. In Sodom soll man leben und alles Uebel sehen, das die gerechten Seelen quält. Aber so naht ihr Ende, so erfüllen sich die Missethaten der Ammorrhäer, so beschleunigen sie selbst ihr Verderben. Lebe wohl und bete für mich Sünder.

Der Türke soll mit einem unermeßlichen Heere in Ungarn sein. Gottes Gnade sei mit dir. Grüße deine Heva; es grüßt dich meine Käthe.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Luther und Melanchthon an den Rat von Coburg 25.12.1529

Dem Ehrbaren und Weisen Burgermeister und Rath der Stadt Coburg, unsern günstigen Herrn und Freunden.

Unsere freundliche Dienste zuvor. Ehrbare, Weise, günstige Herren und Freunde. Wir haben Wolfgang Höfler eur Meinung, die Schul belangend, angezeiget, darinnen er euern freundlichen Willen gegen ihm vermerket, und uns gebethen, wir wollen euch, wie sich gebühret, von seine wegen fleißig danken, und folgende Meinung zuschreiben, daß er geneigt sei, die Schul zu Coburg anzunehmen, und sich derhalben förderlich nach Ausgang des jetzigen Leipziger Markts aufmachen, hinaus zu ziehen. Dieweil ihr aber in eurer Schrift anhänget: so er lieber wolle länger hie studiren, sollte euch nicht entgegen seyn, dasselbige will er zu euch als seinen Herrn und Fürderern ganz gestellt haben; denn wiewohl er geneigt sey, die Schul anzunehmen, so wolle er sich doch gegen euch zu allem Gehorsam erzeigen, und so es euer Bedenken seyn würde, daß er länger allhie studiren sollte, und ihr ihm eine gewisse Zeit und Studium bestimmt, will er sich gehorsamlich halten, und euch folgen. Von diesem allen werdet ihr ihm euer Gemüth, so er mit Gottes Hülf hinaus kommt, anzeigen. Euch freundlich zu dienen sind wir allezeit willig. Gott bewahr euch. Datum auf den Tag Natalis Domini 1530.

Martinus Luther
Philippus Melanchthon

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834