Luther, Martin – An den Erbmarschall Hans von Löser

Wittenberg, 29. Januar 1533.

Dem Gestrengen, Ehrenfesten Hans Lösern, Erbmarschallen zu Sachsen, meinem gunstigen Herrn und freundlichen, leiben Gevatter etc.

Gnad und Fried in Christo. Gestrenger, Ehrenfester, lieber Herr und Gevatter! Wie ich nächst gebeten, so bitte ich abermals umb unsers Herrn Christi willen, E. Gestrengen wolle sich demüthigen, Gott zu Ehren, und meinem jungen Sohn, den mir diese Nacht Gott bescheret hat von meiner lieben Käthen, förderlich und hülflich erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi durch das heilige Sacrament der Taufe kommen, und ein Glied der Christenheit werden möchte; ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papsts oder Türken an ihm erziehen wolle. Ich wollte ihn gerne umb Vesperzeit lassen taufen, auf daß er nicht lange ein Heide bleibe, und ich desto sicherer wäre. Ew. Gestrengen wolle sich unbeschweret hereinfinden, und solch Opfer, Gott zu Lob, helfen vollbringen. Womit ichs wüßte zu verschulden, bin ich willig und bereit. Hiermit sampt den Euren Gott befohlen, Amen. In der Nacht umb eins, Mittwochen nach St. Pauli, 1533.

Ew. Gestrengen
williger Diener
Martin Luther

Deutsche Luther-Briefe
In Auswahl
von
J. Friz
Stadtpfarrer in Ulm
C. F. Amelangs Verlag
Leipzig
o. Jahr

Luther, Martin – An die aus Oschatz verjagten Christen.

20. Jan. 1533.

Gnade, Trost und Friede in Christo. Liebe Freunde! Es hat mir die Frau von Daum angezeigt euer Elend, darein euch Herzog George getrieben, und wie ihr habt fliehen müssen. Wohlan ihr habt großes gewaget und gethan; Christus, unser lieber Herr, um deßwillen ihr leidet, tröste, stärke und erhalte euer Herz, daß ihr’s hinaus leidet, und nicht müde noch laß werdet. Denn der Teufel wird damit nicht aufhören, sondern weil ihr euch wider ihn gesetzt habt, wird er sich auch weiter gegen euch sträuben, und sollt er gleich nichts mehr können, denn auch die Unsern wider euch hetzen zu Leid und Ungunst. Denn er ist der Wirth in der Welt, und die Welt ist sein Haus: darum, wo man hinkömmt, da findet man den scheußlichen Wirth daheim. Derhalben seid fest und getrost in der Kraft Jesu Christi, und sehet ja zu, daß ihr gewiß seid und nicht zweifelt, solch eure Flucht oder Elend gefalle Gott im Himmel wohl. Und ob’s die Leute verachten, und vielleicht euer Herz auch gering anstehet, so sollt ihr doch denken gewißlich, daß es für Gott und seinen Engeln ein groß Ding ist. Denn ihr habt’s euch nicht darum gethan, daß die Leute euch loben und wundern, sondern Gotte zu Lob und Ehren.

Es lobe nun oder schelte der Mensch, da liegt nichts an; ist genug, daß Gott mit seinen Engeln lobt und liebt. Darum sollt ihr mit dem König David (da er auch in’s Elend war verstoßen) singen, im 56. Psalm: „Herr, zähle meine Flucht, fasse meine Thränen in deinem Sack, ohne Zweifel, du zählest sie als sollte er sagen: wenn schon kein Mensch mein Elend bedenken will, schauest du doch, Herr, so genau darauf, daß du alle meine Schritt zählest in meiner Flucht, wie weit, wie ferne ich verjagt werde und laufen muß, und vergissest keine Thränen, die ich weine, sondern ich weiß, daß du sie alle in deinem Register anschreibest, und nicht vergessen wirst. Sehet, wie sich dieser König damit tröstet, daß er es gewiß ist, daß seine Flucht, seine Thränen seien für Gott alle gezählet und berechnet, alle Fußstapfen und Schritte angeschrieben, die ihm sauer worden, und alle Thränen in Gottes Sack gefasset, daß nicht eine sollt beifallen oder vergessen sein; wie auch Christus spricht Matth. 10, 30.: „Eure Haare auf eurem Haupte sind alle gezählet, und nicht eines soll umkommen.“ Christus gebe solchem seinem Wort Saft und Kraft in eure Herzen, daß ihr solches gewiß seid und nicht daran zweifelt; wie es denn gewiß an ihm selbst und kein Zweifel ist. Amen! Lasset Herzog Georgen mit den Seinen machen, er hat sein Urtheil und Richter. Das fühlet ihr jetzt nicht; er soll es aber und muß es fühlen in Kürze, und wird den Spruch erfüllen, Sir. 35, 13. 19.: „Die Thränen der Elenden fließen wohl die Backen herab, sie schreien aber über sich, wider den, der sie herausdringet.“ Amen, und aber Amen. Lasset uns miteinander und für einander bitten; denn wir sind gewißlich erhöret. Und ob sich’s verzeucht, so wird es doch kommen und nicht außen bleiben. Denn Gott kann nicht lügen noch trügen. Den sei Lob und Dank in Ewigkeit durch unsern lieben Herrn Jesum Christum. Amen!

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862