Martin Luther – An die Theologen zu Schmalkalden

Den Hochgelahrten, D. Iusto Ionae, Ioanni Pomerano, Casparo Crucigero, Philippo Melanchthoni, Dienern und Bekennern Christi, seinen lieben Freunden, wünschet Martinus Luther viel Gutes.

Lieben Freunde! Ich gläube wol alles, das ihr schreibet von dem K. und Papisten. Denn der K. ist gewesen, undwird bleiben ein Knecht aller Knechte des Teufels. Wollte GOtt, er dienete also, wie andere Creaturen, daß er der Eitelkeit nicht wissentlich unterworfen wäre, sondern unwissentlich. Wir bitten für ihn und wider ihn, wissen auch gewiß, daß wir erhöret werden, mehr denn wir verstehen oder begehren. Wir werden auch unserer Bitte gewähret werden, wie wir ihr bisher sind gewähret worden. GOtt ists. Wie nun derselbige mitten im Tode lebendig macht, mitten im Zorne barmherzig ist, und mitten in seinem Grimm lachet; also, wenn wir meynen, er wolle gar nicht erhören, so wird er uns erst geben, das wir gebeten haben. Wie denn alle göttliche Werke wunderbar sind und unbegreiflich, bey welchem, was nichts ist, etwas seyn muß; was verdirbt, das wächst; was fällt, das stehet, und alles ist nichts bey ihm. Welchem allein die Ehre gebühret, welcher allein GOtt ist, allein Schöpffer, allein Regierer aller Dinge. Bringt ihr nun Friede, mitten im Kriege gegeben, so wollen wir den Frieden annehmen; bringt ihr aber krieg, so wollen wir gleicher Maaß Friede aus dem Kriege gewärtig seyn. Es sey durch den Tod, oder durchs Leben, so geschehe der Wille des HErrn. Wenn der geschehen ist, so wird auch unser Friede werden, zum ewigen Leben, Amen.

Verachtet den Teufel getrost; es hat ihn gecreuziget, der vor ihm gecreuziget worden, der Ueberwinder in Israel. Derselbige hat ihn uns geweiset, und hat ihn im Triumph geführet, und uns zu Spotte und trotz gegeben, so wir anders gläuben an den Creuziger Christum, den HErrn und Ueberwinder seines Creuzigers, des Teufels. Werden sie uns creuzigen, und an jenem Tage, oder noch eher, wollen wir öffentlich mit Fingern auf ihn weisen. Gehabt euch wohl.

Anno 1540.

Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften.
Siebzehenter Theil.
Johann Georg Walch
Halle im Magdeburgischen
Druckts und verlegts Joh. Justinus Gebauer

Martin Luther an Elisabeth von Münden (1540)

Gnade und Friede in Christo.

Durchleuchtige, hochgeborne Fürstin, Gnädige Frau.

Es ist dieser Mag. Just Waldhausen, Bürgers Kind zu Hameln, berufen zum Syndico daselbst. Hat mich dermalen gebeten, daß ich an E. F. G. wolle schreiben, weil er unseres Evangelii nun bei zwölf Jahren gewohnt, das aber in Hameln vielleicht noch nicht in Brauch ist. E. F. G. wollen seine gnädige Frau Fürstin sein und ihn schützen soviel möglich, auch bei  E. F. G. Gemahl anhalten, daß S. F. G. solche feine Leute wolle werth halten. Denn wie  E. F. G. sehen und erfahren werden, ist’s gar ein fein, gelehrt, geschickt, fromm Mensch, dergleichen man nicht viel findet. E. F. G. wollen sich gegen ihn gnädiglich beweisen, auch den Leuten und Landen zu gut, da er wohl zu dienen kann und wird. Daran thut  E. F. G. Gott einen sonderlichen Dienst.

Martin Luther.

Elisabeth, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg
Dr. Wilhelm Havemann
Göttingen
Druck und Verlag der Dieterichschen Buchhandlung
1839

Calvin, Jean – An die Pfarrer von Neuchatel.

Farel nahm von seinem Besuch in Worms folgenden Brief mit:

Von der Untätigkeit in Worms.

Gnade und Friede sei mit Euch von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesu Christo, liebste und hoch verehrte Brüder. Da ich nicht eher ans Schreiben dachte, als bis sich unser bester Bruder Farel zur Abreise rüstete, und da ich ihm alles mündlich dargelegt habe, was ich von unsern gegenseitigen Verhandlungen berichten könnte, so will ich von einem längeren Schreiben absehen. Ich hätte es am liebsten ganz gelassen, wenn er nicht meine Trägheit mit strengen Worten getadelt hätte. Denn es komm mir vor, ich tue etwas nicht nur Überflüssiges, sondern geradezu Widersinniges, wenn ich einem solchen Boten noch einen Brief an Euch übergebe. Weil er mich meine Pflicht aber nicht versäumen lässt, so muss ich ihm wohl den Gefallen tun. Ihr dürft also von mir keine lange Geschichte der hiesigen Verhandlungen erwarten. Wir sitzen müßig im Lager, da uns die Feinde gar keinen Anlass zum Kampfe bieten. Wenn wir meinen, nun sei man allen ihren Ausflüchten entgegengetreten, so erdenken sie gleich neue Schliche. Wir hoffen aber, dass diese Kunststücke, in denen sie sich so wohl gefallen, zu großem Ruhm des Herrn ausfallen werden. Denn die Welt wird erkennen, wie es um ihr Gewissen stand, das das Licht so sehr scheuen musste. Wir haben mit Worten bezeugt und durch die Tat erwiesen, dass wir von Herzen bereit sind, Rechenschaft abzulegen über unsere Lehre, so schlecht wir dazu vorbereitet sind. Sie, nachdem sie uns oft durch täuschendes Ausweichen hingehalten haben, bekannten schließlich, ohne ein Hehl daraus zu machen, dass sie vor dem doch von ihnen angegebenen Plan des Vorgehens geradezu Abscheu hätten. Und das tun sie, obwohl sie uns in allem, abgesehen von der guten Sache, weit überlegen sind. Verteidiger haben sie, welche es ihnen gut schien, aus ihrer großen Schar auszuwählen. Der, den wir als Schiedsrichter anzunehmen genötigt wurden, ist ihnen offenkundig günstig. An Geld, Macht und allen andern Hilfsmitteln haben sie Überfluss und wir Mangel. Aber ihr böses Gewissen wirft sie nieder, dass sie fliehen, ohne dass sie jemand verfolgt. Ob nicht der Herr ihren Geist so geschlagen hat, dass sie sich nicht zum Kampf mit uns herbeilassen; nicht allein, um sie umso mächtiger und wunderbarer niederzuwerfen, sondern auch, um uns durch ihre Angst demütig zu machen? Denn wir sind nicht würdig, dass er unsern Eifer zu seiner Verteidigung braucht. Wie dem auch sei, wenn nur die Wahrheit geschont wird und seine Ehre immer strahlender aufleuchtet, so muss uns das über und über genug sein. Aber wenn wir auch nicht in offener Feldschlacht handgemein geworden sind, so denkt doch daran, beste Brüder, dass wir einen verborgenen Kampf zu führen haben gegen die krummen Ränke des Satans. Das sage ich darum, dass Ihr durch frommes Gebet mitarbeitet, damit der Herr die Einfalt der Seinen nicht ins Netz solchen Betruges fallen lasse. Die Sache der Brüder [in Frankreich], die von den Gottlosen grausam gequält werden, wollen wir mit geziemendem treuem Eifer auf uns nehmen. Wir können aber gegenwärtig nichts anderes versprechen, als dass wir uns Mühe geben werden, so dass Ihr merkt, dass unsere Bemühung zu ihrer Rettung nicht ausblieb. Von meinem Kommen zu Euch wage ich noch nicht Bestimmtes zu sagen. Farel weiß, welche Hindernisse mich zurückhalten. Ich wünsche aber den Tag zu erleben, da ich Euch alle zugleich im Herrn umfasse. Lebt wohl, trefflichste Brüder. Der Herr stärke Euch mehr und mehr zu seinem Werk.

Worms, 24. Dezember.

Euer Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der Brief wurde zwar an Farel geschrieben, aber nicht abgesandt, da dieser selbst nach Worms kam am 22. Dezember.

Vom Wormser Religionsgespräch.

Dass ich dir so selten schreibe, geschieht, weil wir zu wenig Muße haben. Die Entschuldigung wird dir lächerlich vorkommen, weil sie so ungewöhnlich ist. Aber ich rede wahr. Denn wenn auch nur zum Schein irgendeine Verhandlung hier abgehalten würde, böte sie mir doch Stoff zum Schreiben. Jetzt aber soll ich einen Brief fassen, was mich ekelt und reut, mit soviel Gedankentätigkeit erkennen zu müssen: nämlich, dass wir, schon in den zweiten Monat hinein umsonst wartend, hier müßig sitzen. Zwanzig Tage waren seit unsrer Ankunft verstrichen, bevor uns die Schiedsrichter einmal herbei riefen. Denn da Granvella aufgehalten wurde bei der Erklärung und Anordnung der Reichsfreiheit der Stadt Besancon, hatte er sich entschuldigen lassen und einen andern gewählt, der an seiner Statt [als Schiedsrichter] walten sollte. Sie aber unterschlugen seinen Brief und warteten, bis es hieß, er komme heran und sei nicht weiter als zwei Tagesreisen entfernt. Da endlich rief man uns und unsere Gegner zusammen. Zuerst ließen sie Granvellas Brief vorlesen; dann versprachen sie bei dieser Verhandlung alle Treue und Fleiß anzuwenden und forderten dagegen von uns, wir sollten allen Zank und alle Schärfe lassen und uns um Frieden und Eintracht bemühen. Wir gaben zur Antwort, man sei von beiden Seiten in keiner andern Absicht erschienen, als für die Ruhe der Kirche zu sorgen. Die Unsern aber fügten stets bei, so weit ein Friede möglich sei nach dem Wort Gottes. Dann wurde verhandelt über Art und Ordnung des Gesprächs. Beide Parteien übertrugen es den Schiedsrichtern, die nach ihrer Meinung beste Ordnung vorzuschreiben, unter Vorbehalt ihres Einspruchsrechtes. Diese gestanden nach ihrer Gerechtigkeit gleich unsern Gegnern soviel zu, wie sie kaum offen zu fordern gewagt hätten. Die Unsern aber, um nicht von Anfang an in Dingen von geringerm Gewicht eigensinnig zu scheinen, ließen es mit wenigen Ausnahmen gelten. Du wirst denken, das sei alles in einer halben Stunde fertig gewesen. Aber die Zeremonien sind so umständlich, dass wir mehrmals zusammen kommen mussten, ehe irgendetwas zu Ende kam. Das ist nämlich die Form und Anordnung des Verhandelns. Jeder Partei ist ein Saal angewiesen, in dem sie für sich berät. In einem dritten sitzen die Schiedsrichter und kommen wir von beiden Seiten zusammen, wenn etwas öffentlich zu verhandeln ist. Unsere Feinde freilich gehen da nur zu vertraulich ein und aus, um den Schiedsrichtern ihre Pläne mitzuteilen. Und das tun sie nicht etwa heimlich und scheu; sondern vor unsern Augen, wenn wir dabei stehen, tragen sie kein Bedenken, die Köpfe zusammen zu stecken. Was sollen sie auch anderes tun? Der Mainzer, der Bayer und der Straßburger [Bischof] haben ihre Leute geschickt, mit uns zu disputieren und die Disputation zu leiten. Die wählen nun je einen aus ihrer Schar zum Präsidenten, aber so, dass er zwar Verhandlungsleiter heißt, tatsächlich aber die Rolle unsres Gegners übernimmt. Unterdessen war Granvella gekommen; am 25. November zog er in der Stadt ein; am dritten Tage darauf hielt er eine Rede, die uns nicht ganz gerecht wurde, weil es schien, er wälze die Schuld an allem Unglück auf uns. Ich schicke dir ein Exemplar dieser Rede, soweit sie beim Sprechen von den Schreibern aufgezeichnet werden konnte. Jedenfalls ist der Hauptinhalt ganz darin enthalten, und es fehlt kein Wörtlein, das irgendwie von Gewicht war. Tags darauf antwortete man gemeinsam in aller Namen, obwohl das den Unsern sehr missfiel. Aber da es nicht anders erlaubt wurde, was sollten sie tun? Granvella selbst hatte schon vorher gehört, oder schöpfte sicher aus der Sache selbst den Verdacht, dass die Unsern murrten und entrüstet sagten, es sei ein zu großes Unrecht, dass sie schon vor dem Eintreten in die Verhandlung ohne Grund gescholten würden. So entschuldigte er sich bei ihnen, er habe nichts weniger im Sinn gehabt, als sie nur im Geringsten zu verletzen. Von da an wurde dann ein paar Tage über Formsachen verhandelt, wobei die Gegner tausend Ausflüchte suchten. Wir, um sie ins offene Feld zu locken, weigerten uns keiner Unbilligkeit, wenn uns nur die Verteidigung unserer Sache möglich bliebe. Dann kam eine Zeit, in der sie, ohne uns bei zu ziehen, unter sich berieten. Die Unsern zeigten nicht bloß, dass von ihrer Seite nichts im Wege stehe, sondern drängten sogar und tadelten die neue Verzögerung deutlich. Schließlich nötigte sie die Scham, und sie gaben vor, anfangen zu wollen. Sie sangen also ihre Messe des heiligen Geistes wegen, um unter günstigen Wahrzeichen anzugreifen. Auch wir hatten einen feierlichen Bittgottesdienst in unserer Kirche. Jedermann glaubte, bald werde man sich zum Kampfe gürten müssen. An diesem Tag aber und am folgenden hatten wir nochmals Ferien. Mittwochs wurden wir gerufen als zu einer hochernsten Sache. Nachdem man zum Präsidentensaal gekommen, zeigte man es Granvella an; kurz nach uns kam er. Dann wurde der apostolische Nuntius herbeigeholt, der uns im Namen des hochheiligen Paulus ermahnte, nach Eintracht und Aussöhnung mit der Kirche zu trachten. Es war für ihn ein Sessel hingestellt, gegenüber von Granvella, der aber mit den Gesandten der Kurfürsten auf einer erhöhten Estrade saß. Granvella ging jedoch dem Nuntius vier bis fünf Schritte entgegen, damit es nicht scheine, er verachte den heiligen apostolischen Stuhl gänzlich. Der Nuntius hielt darauf eine Rede, zusammengesetzt aus Lobreden auf die Liebe, einem Klagelied über die gegenwärtigen Zeiten und einer Ermahnung, von der Zwietracht zu lassen. Ich schicke dir ein Exemplar davon. Als er geendet, traten der Sitte gemäß die Gesandten der Kurfürsten ab, zur Beratung. Denn hier galt das Zeremoniell einer kaiserlichen Tagung. Die Gegner wollten eine gemeinsame Antwort. Der Sachse, der allein dem Bekenntnis nach zu unserer Partei gehört, widersprach und legte mit guten Gründen dar, wir müssten besonders antworten. Denn wir seien indirekt getadelt worden, deshalb müssten wir für uns allein Rechenschaft geben auf die Vorwürfe, da alle Schuld uns zugeschoben werde. Dann könnten wir auch nicht dulden, dass der Papst in dieser Versammlung einen Teil der Ehre für sich in Anspruch nehme. Deshalb müssten wir dagegen protestieren, damit es nicht schiene, wir geständen ihm etwas zu. Ja, es könnten in keiner Weise die Reden der beiden Parteien zusammenstimmen, da ihm die Einen den Titel allerheiligster Vater gäben, während die Andern ihn Gottes Feind und Bedrücker der Kirche nennten, die Einen ihm Gehorsam in allen Dingen versprächen, die Anderen vorhätten, seine Herrschaft zu bekämpfen. Als die Reihe an Granvella kam, bat er und drang darauf, es sollten doch alle Stände sich auf irgendeine Antwort vereinigen. Man lief hin und her, etwa achtmal, bevor die Unsern nachgaben. Sie verlangten schließlich, man solle ihnen erlauben, dem Nuntius zu danken, ohne den Papst selbst zu erwähnen. Das ließ die Gegenpartei von sich aus zu, um nicht alles abzuschlagen. Das geschah alles vor seinen Augen und in solcher Nähe, dass er manchmal die Stimmen verstehen konnte. Man gab darauf die Antwort, deren Wortlaut du hier auch beiliegend hast und ging auseinander; obwohl es die Unsern sehr ärgerte, dass ihnen die Möglichkeit, auch zu reden, entrissen worden war. Die Mutigern aber meinen, trotz unseres Schweigens sei doch nicht wenig erreicht worden an diesem Tag. Denn der [päpstliche Nuntius], der einst, noch vor wenigen Jahren, an der Seite des Kaisers über allen Kurfürsten seinen Sitz erhielt, musste jetzt von der gewöhnlichen Bank aus reden. Als er Papst Paul seinen Herrn nannte und ehrenhalber sein Haupt entblößte, folgte ihm niemand, selbst von unsern Gegnern nicht; als er aber den Kaiser erwähnte, zogen alle den Hut. Konnte unter gegenwärtigen Umständen dem Papst ein größerer Schimpf angetan werden, als dass Kaiser und Stände des Reichs seinem Gesandten antworteten, ohne seinen Namen zu nennen! Das ist sicher nicht weit von handgreiflichem Spott. Denn man antwortete dem Gesandten wie einem Privatmann, und das Schweigen vom Papste entbehrte deutlicher Verachtung nicht. Wenn von unserer Seite etwas recht Grobes gesagt worden wäre, so wäre das nichts Ungewohntes gewesen von so trotzigen, unbezähmbaren Köpfen. Dass aber der Kaiser und die ganze Schar seiner Söhne uns soviel zugestanden, dass man den Papst gar nicht zu erwähnen brauchte, das hat dem Ansehen des Papstes nicht wenig Abbruch getan. Nach dem Mittagessen berieten unsere Gegner unter sich, wo sie uns zuerst auf den Tod verwunden könnten. Es wurde beschlossen, das ganze Bekenntnis der Reihe nach durchzunehmen. Im ersten strittigen Artikel von der Erbsünde bekämpften sie uns zwei Tage lang, dann entzweiten sie sich. Sechs nahmen unser Bekenntnis an, fünf wiesen es ab, darunter als ihr Achilles Eck selbst. Am dritten Tag schrieben sie irgendeine Formel nieder, auf die sie sich gleicher weise geeinigt. Darin wurde aber unser Dogma nicht verdammt, sondern bloß gemäßigt und gemildert. Dann kam man zur Rechtfertigung, wobei es wunderbar war, wie lärmend sie unter sich selbst zankten. Der Grund solcher Verwirrung war, dass die Brandenburger fast ganz auf unserer Seite stehen, die Pfälzer ein klein wenig sich nähern. Die von Cleve und Köln sind nicht die schlimmsten. Andere aber, wie von bösen Gewalten gepackt, können nichts Billiges, nichts Gemäßigtes, nichts Gesundes ertragen. Der Markgraf [von Brandenburg] steht bloß deshalb auf ihrer Seite, weil er noch nicht zu uns gerechnet wird, da er sich bis jetzt kaiserlichen Beschlüssen noch nicht widersetzt hat und noch nicht in unsere Bundesgenossenschaft eingetreten ist. Als Kurfürst durfte er aber nicht übergangen werden; und so mussten ihn unsere Feinde bei sich aufnehmen. Die Unsern beschwerten sich unterdessen, sowohl bei den Präsidenten, als bei Granvella, dass man die Sache so hinziehe. Der sechste Januar, auf den der Reichstag zu Regensburg angesagt sei, stehe nahe bevor. So sei es unzweifelhaft, dass das Ausweichen nur dazu dienen solle, dass man unverrichteter Dinge auseinander gehen müsse. Durch solche Mahnung bedrängt, begann man ein neues Gewebe anzuzetteln: Sie brachten eine Eidesformel vor, mit der sie die Schreiber verpflichten wollten. Die war aber so unbillig, dass die Unsern sie nicht zulassen durften, und doch konnte man nicht erreichen, dass nur eine Kleinigkeit nachgelassen wurde; und wahrlich, die guten Leute haben Grund, sie mit den Zähnen festzuhalten. Denn es ist darin ausbedungen, dass die Akten geheim gehalten und keinem Sterblichen außer dem Kaiser mitgeteilt werden sollten. Um nichts ganz Aussichtsloses zu fordern, fügen sie eine Ausnahme dazu, dass sie bloß teilweise und unter ihrer Zensur erscheinen sollen. Wir sehen, was sie wollen, nämlich dass, wenn wir im Zorn von hier scheiden, sie dann nach ihrem Brauch alle Entrüstung [wegen des gescheiterten Gesprächs] unter irgendeinem Vorwand auf uns lenken können. Wir werden also nachgeben müssen, wenn wir ihnen die Gelegenheit dazu, die sie suchen, nicht bieten wollen. Aber, nach meinem Erachten wenigstens, legen sie sich dadurch umso mehr fürs Urteil aller Guten eine Schlinge um den Hals. Denn man wird nicht zweifeln können, aus welchem Gewissensgrund sie so sehr für Unterdrückung der Akten arbeiteten. Gewiss, wenn wir nicht unserer guten Sache trauten, wünschten wir nicht, dass alles veröffentlicht werde, und wenn sie das Licht nicht fürchteten, wichen sie dem nicht aus. Ich fürchte aber, da man uns mit solchen Vorspielen ärgert, wird man uns schließlich ohne Kampf wegschicken. Denke dir, was für ein allgemeines Gelächter das geben wird, wenn eine solche Veranstaltung in Rauch aufgeht! Wie aber, wenn der Herr, menschlicher Vorsicht spottend, sein Werk fortführen, und, ohne unsere Kunst und unsern Eifer zu brauchen, die Gegner seines Wortes niederstrecken will? So wollen wir uns mit unserm guten Gewissen begnügen und nicht mehr begehren, als dass wir, aufmerksam auf seinen Wink, so viel tun, als er will. Gewiss, was uns angeht, wir wären nicht so furcht erregend, wenn nicht der Herr selbst unsern Feinden Schrecken und Angst einjagte. Wird man handgemein, so wird Philippus zuerst reden, den ich nie mutiger gesehen habe. Er ist ein ganz anderer, als er vor vier Jahren war. Zwar seine Meinung hat er nicht geändert; aber sein Mut ist stärker geworden, weil er, wie er selbst sagt, mit seiner Mäßigung doch bei denen nichts erreicht habe, die er zu gewinnen trachtete. Wenn du ihn nur eine halbe Stunde reden hörtest, hättest du die größte Freude. Den Rest schreibe ich, wenns Gelegenheit gibt. Lebwohl, bester, trefflichster, liebster Bruder.

[Worms, Mitte Dezember 1540.]

Calvin, Jean – An Nicolas Parent in Straßburg.

Anweisung in Armensachen und einer seltsamen Heiratsgeschichte.

Ich bin damit einverstanden, dass du das Abendmahl auf nächsten Monat verschoben hast, da du es jetzt nicht abhalten konntest, ohne die Ordnung außer Acht zu lassen, die ich nicht ohne Grund sorgfältig bewahrt sehen möchte. Dass ich höre, unser Gemeindlein sei in gutem Stande, so dass es von meiner Abwesenheit keinen Schaden spürt, macht mir große Freude, oder erquickt und tröstet mich doch sicherlich in meinem Unglück. Wenn ich auch nur beiläufig und in wenig Worten dir bei meiner Abreise angeben konnte, was mir der Mühe wert erschien, so habe ich dir doch guten Rat gegeben, und ich freue mich, dass du ihm folgst, nicht weil es mein Rat ist, sondern weil ich glaube, dass es dir nicht ohne Nutzen und den andern heilsam ist. Was die Armen angeht, so bin ich nicht wenig in Verlegenheit beim Gedanken, wie wir ihnen helfen können. Denn du siehst, wie arm unsere Gemeinde selbst ist. Auch konnte ich es nie erreichen, dass aus Frankreich irgendeine Unterstützung geschickt wurde. Den zweiten Schlüssel hat Sturm bis sich zu Hause gelassen. Ihr werdet schon so viel in der Kasse finden, dass Ihr bis zu meiner Rückkehr der augenblicklichen Not abhelfen könnt; dann wollen wir mündlich beraten, wie mans besser machen kann. Landstreicher aber, von denen du merkst, dass sie ohne bestimmten Grund, sondern aus bloßem Leichtsinn herum reisen, brauchst du nicht lange aufzuhalten.

Es tut mir leid, dass Philipp solange krank liegen muss. Er ist ein frommer, junger Mann, bescheiden, tüchtig und klug, wie mir scheint. So habe ich, wenn ihn der Herr uns erhält, die beste Hoffnung auf seine Begabung gesetzt. Grüße ihn freundlich von mir. Den Andern, der in größerer Not ist, müssen wir mit Geld und Trost unterstützen. Was du von der alten Frau erzählst, konnte ich kaum glauben, so ungeheuerlich klingt es. Doch hattest du nicht Unrecht, mich darauf aufmerksam zu machen, da die Sache schon durch vieler Leute Geschwätz ruchbar geworden ist. Denn wir dürfen nicht übersehen, was so vom Gerücht umher geboten wird, auch wenn das Gerücht dunkel und unzuverlässig ist. Denn wenn es unsere Pflicht ist, unvorsichtige Taten zu verhindern, so können wir doch das Wahre vom Falschen nicht unterscheiden, wenn wir nachlässig übergehen, was in Aller Munde ist. Jetzt, da Charles nicht nur das Gerede von dem Anzeichen solchen Leichtsinns (danach man ein Vergehen nur vermuten, aber noch nicht verurteilen darf), sondern auch von einer eigentlichen Heirat bestätigt, bin ich starr vor Erstaunen. Eine Scheußlichkeit ists, die alle Frommen mit Recht verwünschen. Scheint etwas fabelhafter, als was man bei Dichtern liest, dass sechzigjährige Weiber noch geil werden? Und dieses Weiblein ist schon siebzig! Hat einen Sohn in dem Alter, in dem sonst auch verheirateten Frauen die sinnliche Lust aufhört! Wenn sie sich wenigstens mit einem Manne weit vorgerückten Alters verbunden hätte, so hätte sie sagen können, sie habe etwas Anderes begehrt als die Lust des Ehebettes! Nun hat sie sich aber nicht jede Verteidigung, sondern auch jeden Schein, der sie entschuldigen könnte, geraubt! Und sie glaubten, noch hübsch für ihre Sache gesorgt zu haben, wenn sie ihre Zuflucht zu einer heimlichen Trauung nahmen! Aber sie werden bald beide erfahren, wie gefährlich es ist, mit Gott Scherz treiben zu wollen. Wenn du nun fragst, was deine Pflicht dabei sei, so kann ich dir kaum raten. Denn wenn ich auch glaube, dass wir sie streng tadeln müssen und uns dem nicht entziehen können, ohne unsere Pflicht zu versäumen, so ist die Sache doch nicht ungefährlich und erfordert große Vorsicht, damit sie nicht von uns [gegeneinander] erbittert werden, und dann, so frech wie sie zusammenkamen, wieder auseinander fahren mit noch größerer Sünde und zu noch schwererem Ärgernis. Also, wenn nicht eine ganz besondere dir einen Weg auftut, rate ich dir nicht, mit ihr davon zu reden. Gibt es sich aber einmal gelegentlich, so zeige ihr nur, dass sie dabei doch zu wenig an ihren eigenen Ruf und die Erbauung der Kirche gedacht habe, dass dir sehr missfalle, was sie getan, und dass jeder ernste und anständige Mensch es höchlich missbillige. Du zweifeltest gar nicht, dass es auch mir eine furchtbar bittere und traurige Nachricht sein werde. Damit sie aber nicht noch dazu entweder [unter solchem Tadel] ganz zusammenbricht oder erst recht verrückt wird, so mildere die böse Sache durch sanfte Rede, so gut du kannst, und mahne sie, sie solle, was sie schlecht begonnen, durch einen bessern Ausgang wieder gut zu machen suchen. Schließlich halte solches Maß, dass die ganze Sache mir vorbehalten bleibt, wenn ich komme. In der Frage meiner Berufung nach Genf bin ich so unklar oder vielmehr so verworren in meinem Sinn, dass ich kaum wage, daran zu denken, was ich tun soll. Wenn ich einmal in diese Gedanken hinein gerate, so finde ich keinen Weg mehr. Daher, je mehr mich die Angst packt, umso verdächtiger bin ich mir mit Recht, und überlasse mich daher der Leitung der Andern. Unterdessen wollen wir den Herrn bitten, dass er uns den Weg zeige. Leb wohl, lieber Bruder, grüße mir alle die Unsern freundlichst.

Worms, 14. Dezember.
Dein Calvin.

Als ich eben den Brief absenden wollte, kam dein zweiter, in dem du deine Traurede beschreibst. Kühn wars gewiss von dir, dass du Matthieu so anzugreifen wagtest, der sich sonst kaum ermahnen, geschweige tadeln lässt. Ich freue mich aber, dass es so gut gegangen ist. Wir wollen uns also mit solcher freundschaftlichen Ermahnung begnügen und das Recht unsrer Kirche nicht weiter verfolgen. Doch soll uns dies Beispiel für die Zukunft mahnen, nichts von der Ordnung [der Kirche] zu unterlassen. Bei den beiden Eheleuten halte, bitte, solches Maß, dass aus den Dummen nicht Verrückte werden. Ich kenne den Stolz, die böse Zunge und die Frechheit des Weibleins. Dem Mönche werden wohl die Winternächte zu Hause lang vorkommen. Es ist zu befürchten, dass er, um die Langeweile zu vertreiben, anders wohin geht. Denn du weißt, dieser Menschensorte ist das Herumstreichen ein Vorrecht. Sturm habe ich erinnert, obwohl er von sich aus tun wollte, was du batest. So wird sie durch Krafft einen Brief bekommen. Leb wohl, liebster Bruder. Das in Eile, da der Bote gerade aufsitzen wollte. Grüße mir Sebastian, Enard und alle Andern freundschaftlichst.

Dein Calvin.

Luther an Elisabeth von Brandenburg

11.12.1540

G. vnd friede in Christo unserm herrn. Durchlauchtigste hochgeborne fürstin, gn. fraw. Mir ist fürkummen, wie E.f.g. sollte eynes predigers mangeln vnd begehren. Wo dem so were, vnd ich on des sorge trage, dass  E.f.g. möchten durch m. Isleben’s practick mit eynem übereilt werden, der seines dings were, welches ich gar vngern sehen wolt, denn er ie lenger, ie mehr vnser Wittenberger feindt sich erzeyget, wie mir teglich klage uber ihn fürkummet. Weil izt aber eben d. Erasmus Alberus gen Wittemberg kommen vnd ledig ist, so were Ew.f.g. mit solchem manne wol versorget, wo sie ia eyns predigers bedürften. Solchs habe ich E.f.g. wöllen anzeygen, ehe dann wir genannten doctorem anderswohin ordnen, dann er eyn gelert frumer feiner man ist. Hiemit befehl ich E.f.g. dem lieben gott in seines reichs gnade. Amen. Sonnabends nach Nicolaj 1540.

E.f.g. williger
Mart. Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866