Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der Schluss des Wormser Gesprächs. Sendung nach Regensburg.

Endlich in den letzten Tagen des dritten Monats sind wir nach Hause zurückgekommen. Denn inzwischen dachten die Gegner immer neue Künste aus, ihr Spiel mit uns zu treiben. Da es aber hieß, der Kaiser nahe, so meinten wir, nun hätten sie einen ausreichenden Grund, sich loszumachen. Denn da sie während der ganzen Verhandlung mit den unverschämten Ausflüchten einem Zusammenstoß entwischt waren, warum sollten sie nun nicht vorschützen, es lohne sich nun nicht mehr, von neuem zu beginnen, da der Kaiser schon nach Regensburg reise? Als sich nun alle zur Abreise rüsteten, siehe, da boten sie uns mit einem Mal ganz unerwartet Gelegenheit zum Disputieren; sei es, dass sie hofften, die große Nähe des Kaisers habe uns etwas erschreckt; sei es, dass sie sahen, es stehe doch in ihrer Macht, wegzugehen, wenn es ihnen beliebe; sei es schließlich, dass sie fürchteten, doch der Schande nicht entgehen zu können, wenn sie nicht einmal zum Schein etwas anfingen, da wir doch alle uns von ihnen auferlegten Bedingungen angenommen hatten. Denn darauf verlegten sie sich einen ganzen Monat lang, das Unbilligste von uns zu verlangen, damit sie uns zu irgendeiner Weigerung brächten. Dann hätten sie geprahlt, von uns sei das Hindernis gekommen. Die Unsern aber täuschten diese ihre Erwartung durch Geduld. Denn darauf hatten sie sich versteift, eher jede Bedingung anzunehmen, als den Schein zu erwecken, sie hätten sich [dem Gespräch] entziehen wollen. Sie ließen also zu, was nur gestattet werden konnte, ohne dass dadurch die Verteidigung unserer Sache unmöglich wurde. Man kam zur Disputation. Eck, den die Gegner als Sprecher gewählt hatten, hielt eine zweistündige Rede. Philippus antwortete etwas kürzer. Nach dem Essen donnerte Eck wieder los. Es verkündeten nun die guten und heiligen Richter, es sei genug über diesen Artikel disputiert. Da die Gegner zuerst und zuletzt das Wort gehabt hatten, erwiderten wir, das scheine uns unerträglich. Diese Areopagiten aber beharrten mit unbeugsamem Ernst auf ihrem Spruch. Wir erlangten aber doch, dass man noch einmal reden durfte; nur mit der Bedingung, dass die Gegner das letzte Wort hätten. Am folgenden Tag schloss also Philippus die Disputation ganz vortrefflich. Auch Eck gab viel gemäßigter als gewöhnlich seiner Rede eine Schlussthese. Du wirst sagen, diese Art scheine dir wenig tauglich. Ich gebe zu, eine dümmere hätte sich nicht finden lassen; aber weil wir nach der Vorschrift der Andern verhandeln mussten, war es nötig für uns, auch das zu tun, was uns gar sehr missfiel. Ich will hier nicht berichten, wie stolz, wie kühn, frech und unverschämt der Possenreißer schrie. Mach dir ein Bild von einem barbarischen Sophisten, der unter Leuten, die nicht lesen können, dumm prahlt, so hast du den halben Eck. Von neuem verkündeten die trefflichen Schiedsrichter, die Streitfrage sei nun von beiden Seiten genügend behandelt worden. Es bleibe nur noch übrig, dass vier Gelehrte gewählt würden, um eine Resolution zu verfassen. So könne man zu einer Übereinstimmung kommen. Es würde Granvella überlassen, dazu zu wählen, wen er wollte. Er wählte von uns Philippus und Butzer; von den Gegnern Eck und den Weihbischof von Mainz, den er für gemäßigter hielt als die Andern. Da man aber diesen nicht zu Hause fand, wurde irrtümlich ein anderer beigezogen, ein Dominikaner namens Mensinger, kein Mensch, sondern ein ganz ungeschickter Teufel. Der wollte anfänglich gar nichts Gerechtes zulassen. Als aber Eck, von den Kaiserlichen angeschmiert (denn sie missbrauchen ihn als einen Erznarren), zugab, was er in der ganzen Disputation geleugnet hatte, und Granvella das billigte, legte auch dieser Mensinger seinen Trotz ab und stimmte leichthin bei. Philippus und Butzer sagten, sie sähen darin nichts tadelnswertes, aber sie wollten es uns vorlegen. Während wir berieten, wurden alle von Granvella einberufen und ein Schreiben des Kaisers vorgelesen, das uns beurlaubte. So ging man unverrichteter Dinge auseinander. Aber weil der Kaiser verspricht, er werde zu Regensburg die Religionsfrage untersuchen, beschloss man, auch einige Theologen dorthin mitzunehmen. Sobald man hört, dass der Kaiser direkt dorthin reist, werden wir von hier aufbrechen. Denn der Rat hat mich Butzer beigeordnet. Darauf hatte Philippus sehr gedrungen. Das sage ich deshalb, damit du nicht argwöhnst, es sei meine Absicht, anders wohin gesandt zu werden, damit mich die Genfer nicht nochmals zurückverlangten. Denn als Melanchthon sich bei unserm Gesandten verabschiedete, empfahl er mich ihm so angelegentlich, dass ich in große Verlegenheit geriet. Als ich versuchte, ihn deswegen zur Rede zu stellen, sagte er, er kümmere sich nicht um meine entschuldigenden Ausreden; er habe den besten Grund zu seiner Forderung. Schließlich fügte er bei, er wolle durchaus, dass ich [nach Regensburg] mitgenommen werde. Und wenige Tage vorher hatte er im selben Sinn gesprochen. Denn gerade bevor sie uns das Gespräch anboten, hatten Grynäus, Sturm und ich, weil alle Hoffnung geschwunden schien, gebeten, man möge uns nach Hause reisen lassen. Wir hatten schon fertig gepackt und gingen noch herum, von den Freunden Abschied zu nehmen. Als wir zu Philippus kamen, sagte er: den andern will ichs gestatten; Calvin lasse ich jetzt nicht abreisen, und lief gleich in unser Haus, die Abreise zu verhindern. Du siehst also, lieber Farel, wie ich festgebunden bin, und dass nichts etwa schlau veranstaltet ist, um die Rückkehr nach Genf zu verzögern. Ich bin doch töricht, dass ich einen Verdacht zu widerlegen suche, der weder dir überhaupt aufsteigen, noch auf uns geworfen werden kann.

Als ich heimkam, hatte ich mit Claude viel zu schaffen. Den hast du mit deinen Gründen so getränkt, oder besser berauscht, dass er keinen Widerspruch mehr erträgt. Du weißt, dass ich deinem und seinem Rat schon längst gerne gefolgt wäre, und auch heute bereit wäre, ihm zu folgen, wenn Ihr nur den Damm wegräumt, der mir jetzt noch den Weg versperrt. Obwohl, glaub´ es mir, auch wenn mich niemand ermuntert hätte, ich mir selbst zur Genüge ein fleißiger, ja unermüdlicher Mahner und Antreiber gewesen wäre. Ich hatte sogar beschlossen, wenn man mir nicht erlaubt hätte, nach Genf überzusiedeln, doch selbst wider allen Willen ´gleich hinzureisen, um mich persönlich zu entschuldigen. Denn ich verhehlte mir nicht, wie nützlich diese Höflichkeit zu ihrer Stärkung gewesen wäre. Vielleicht hätte ich ihnen auch einen Rat geben können; hätten sie dem gefolgt, so hätten sie vielleicht ihre Kirche ein wenig aus der Zerstreuung wieder sammeln können. Nun müssen sie mich eben entschuldigen, dass ich ihnen nicht einmal diesen Entschuldigungsbesuch abstatten kann. Eins tröstet und erquickt mich, zu hören, dass geschehen ist, was wir Virets wegen wünschten. Also werde ich nun ungewiss meiner Lage, mein Hauswesen ungeordnet zurücklassend, für sechs bis acht Monate in die Fremde ziehen. Ich will davon schweigen, wie sehr es meiner Haushaltsberechnung im Wege steht, dass ich mich hier nicht fest verpflichten will. Denn es wird mir deshalb meine Besoldung nicht erhöht. Mit der aber, die mir jetzt ausgezahlt wird, kann ich kaum acht Monate auskommen. Aber ich will darüber nicht klagen, weil ich es mir selbst auf die Rechnung setzen muss. Vor unserer Abreise will ich dir noch einmal schreiben. Lebwohl, trefflichster Bruder. Grüße alle Brüder angelegentlich von mir.

Straßburg, 31. Januar 1541.

Melanchthon, Philipp – An zwei Geistliche in Zwickau, Leonhard Beyer und Christoph Ering.

22. Jan 1541.

Es ist eine große Erleichterung der Seelen bei allen öffentlichen und besonderen Schmerzen, die Gemeinde seines Orts ruhig zu sehen, weil hauptsächlich die Gemüther im Gebete zu Gott verbleiben, welches, wenn Uneinigkeiten zum Vorschein kommen, sehr gestört und verhindert wird. Da nun gegenwärtig Viele wegen Unglücksfällen in großer Bekümmerniß sich befinden, so müssen besonders die einzelnen Lehrer darauf Bedacht sein, daß ihre Kirche gleichsam ein Hafen sei, worin die betrübten Bürger sich flüchten und da sie durch Anrufung Gottes aufgerichtet werden. Wir vernahmen indeß, daß unter Euch über eine nicht sehr wichtige Sache ein gefährlicher Zwiespalt entstanden sei, wegen dessen die großen Schmerzen, die wir sonst der vielen öffentlichen Trübsale wegen erdulden, einen bedeutenden Zuwachs bekamen. Wenn wir nun auch uns kein Ansehen gegen Euch anmaßen, noch Euch etwas gebieten wollen oder können, so geben wir doch unsern Schmerz zu erkennen und bitten Euch um Gottes und der allgemeinen schweren Kümmernisse willen, von diesem Streit abzulassen, was Euch in diesem Alter, in dieser Würde und im göttlichen Dienste vornehmlich geziemt. Glauben auch beide, mit Fug zu streiten, so ziehet doch Eurem Rechte das Wohl der Kirche vor, und höre doch der Geistliche auf, seinem Amtsbruder mehr Last aufzulegen, und erbiete sich dieser von freien Stücken, um der Kirche willen mehr Mühe zu übernehmen. Oder wenn beide nicht nachgeben, so soll Einer nachgeben, und haltet es nicht für schimpflich besiegt zu werden. Kein Sieg, keine Triumphe sind in der Kirche löblicher, als in solchen Streitigkeiten die öffentliche Eintracht der Privatleidenschaft vorzuziehen, was nicht lange erwähnt zu werden braucht, da es Euch wohl bekannt ist. Wir glauben, daß Ihr selbst sehr oft an den Sohn Gottes denket, welcher sich unter alle Menschen dergestalt erniedrigte, daß er sich vor den ewigen Vater hinwarf, für uns flehte, und den wahren und schrecklichen Zorn desselben wider unsre Sünden auf sich nahm, wie wenn er selbst sich mit unsern Freveln befleckt hätte. Wenn wir diese so große Demuth bei dem Sohne Gottes bedenken, so staunen wir, und bedauern, daß Ihr und andere zuweilen so heftig über Euer Ansehen streitet. Laßt uns vielmehr von unsrem Rechte nachgeben, wie der Sohn Gottes von seinem nachgab, und gleich ihm um der Kirche willen einige Bürden auf uns nehmen, und es nicht als schimpflich betrachten, niedriger zu erscheinen, da sich doch der Sohn Gottes unter uns erniedrigte. Wir zweifeln nicht, daß durch dieses Vorbild die Herzen aller Frommen bewegt werden.

Sodann bedenket auch die Zeiten, die öffentliche Trübsal mache alle kleinlichen Fehden zu nichte: vermehren wir die Schmerzen nicht mit andern, und hindern wir nicht unser und Anderer Gebet, mit solchen Zwistigkeiten, welche die Seelen mannigfach verwunden. Wir bitten Euch dringend, schonet unsern Schmerz! Wie wir auch sonst der Ansicht waren, daß man über nichts, als über die Lehre streiten dürfe, so denken wir jetzt bei diesem Jammer aller Frommen weit mehr so, daß nicht bei den so großen Wunden des Gemeinwesens noch mehr Uebel entstehe. Deßhalb beschwören wir Euch nochmals um Gottes, des Urhebers des Friedens willen; dessen Wort lautet: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder genannt werden. Lasset diesen ganzen Streit, und fördert die Ruhe Eurer Gemeinde. Lebet wohl!

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Friedrich Myconius.

Dem Ehrwürdigen Friedrich Mecum, Bischof der Gothaischen Kirche und der Thüringer Kirchen, seinem geliebten Bruder.

Gnade und Friede in Christo. Ich hab euer Schreiben, lieber Herr Friedrich, empfangen, darin ihr anzeigt, daß ihr tödtlich, oder, wie ihrs recht und christlich deutet, zum Lebenkrank liegt. Wiewohl mirs nun eine sonderliche große Freude ist, daß ihr so getrost und unerschrocken gegen den Tod, welcher, nach der Schrift, nicht ein Tod, sondern ein süßer Schlaf ist aller Gottseligen, ja ein Sehnen und Berlangen habt abzuscheiden und bei Christo zu sein, wie wir Gläubigen allzumal so sotten gesinnt sein, nickt allein auf dem Siechbette, sondern auch, wenn wir frisch und gesund sind, und uns keiner Gefahr des Todes zu besorgen haben, und dasselbige alle Stunden, an allen Orten, in allen Fällen, als Christen zustehet, die mit Christo lebendig gemacht, mit ihm auferwecket, und mit ihm in das himmlische Wesen gesetzt sind, die auch über die Engel richten werden, also, daß nichts übrig ist, denn allein das Ablegen des Vorhangs und Aufhören des dunkeln Worts. Wiewohl, sage ich, solches von euch zu hören mir eine sonderliche Freude ist: doch bitte ich und stehe zum Herrn Jesum, welcher ist unser Leben, Heil und Gesundheit, daß er mirs zu diesem Unglücke nicht kMimen lasse, daß ich erleben und sehen sollte, daß ihr oder etlicke der Unsern solltet mir zuvor kommen, hindurchdringen und reißen durch den Borhang zur Ruhe, und mich himer euch, hier in dieser falschen argen Well, mitten unter den Teufeln, lassen; daß ich, nach euerm Abgang, noch länger müßte Plage und Marter ausstehen, der ich mehr denn gnug, nun etlich und zwanzig Jahr her, erduldet und erlitten habe, und derhalben wohl werth wäre, und es gar sehr verdient hätte, daß ich Allen zuvor käme und im Herrn entschliefe. Also begehre und bitte ich. daß mich der liebe Gott an eurer Statt wollte lassen krank werden und mich heißen ablegen diese meineHütten, die nun ausgearbeitet und gedient hat, verzehret und kraftlos worden und derhalben untüchtig ist; sehe es auch wohl, daß ich Niemand mehr nütze bin. Derhalb bitte und ermahne ich euch mit Ernst, daß ihr mit uns den lieben Gott wollet bitten, daß er euch länger bei Leben erhalten wolle zum Dienst und Besserung seiner Kirchen und dem Teufel zu Spott und Verdrieß. Denn ihr sehet ja, Christus, unser Leben, siehets auch, was für Personen und Gaben seine Kirchen hin und wieder bedürfen.

Aus Worms, da wir fünf ganzer Wochen geharret und schier keine Hoffnung übrig war, haben wir letztlich Briefe vollauf empfangen, welcher ein Theil euch Georg Rorer zuschicken wird. Auf unserm Theil wird Alles männlich und weislich gehandelt: dagegen auf der Widersacher Theil wird es so kindisch, thorlich, ungeschickt, mit groben und garstigen Listen und Lügen vorgenommen, daß man den Satan selber sieht, wie er scheu vor dem Lichte, weil die Morgenröthe anbricht , zu Winkel kreucht und mancherlei Ausflucht, List und Täuscherei sucht; und doch Alles vergeblich, wie von nothwegen geschehen muß, wenn man wider öffentliche erkannte Wahrheit öffentliche lästerliche Lügen verfechten und schmücken will, welches unmöglich ist. Aber was zweifeln wir. Herrlichkeit, Kraft, Sieg, Heil und Ehre gehört dem erwürgten und auferweckten Lamm, und mit ihm auch uns, die wir glauben, daß es erwürget und wieder auferwecket ist, das hat ja auch keinen Zweifel. Wir hoffen, die Unsern werden bald von Worms wieder heim kommen.

Gehabt euch wohl, mein lieber Friedrich, der Herr lasse mich ja nicht hören, so lange ich lebe, daß ihr gestorben seid, sondern schaff es, daß ihr mich überlebet. Das bitte ich, das will ich, und mein Wille soll geschehen, Amen. Denn dieser mein Wille sucht die Ehre göttlichen Namens, nicht meine Ehre noch Lust. Gehabt euch nochmals wohl im Herrn. Wir bitten von Herzen für euch. Meine Käthe grüßt euch herzlich, sie, wie alle Andern sind um eure Krankheit herzlich bewegt. Am Sonntag nach Epiphanias 1541.

Euer Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867