Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Seinen alten Lehrer, Mathurin Cordier wollte Calvin für die Reorganisation des Genfer Schulwesens gewinnen. Weggelassen sind am Schluss einige unwichtige Notizen.

Capitos Tod. Von Farels Rehabilitation in Genf. Reorganisation des Schulwesens.

Ich wollte dir einen recht langen und genauen Brief schreiben, wie es die Sachlage erforderte, aber als mir dieser gute Bruder [der Überbringer dieses Briefes] die Nachricht brachte, unser bester Vater, Capito, seligen Andenkens, sei uns entrissen worden, und Butzer liege an der Pest darnieder, da erschrak ich so in Geist und Herz, dass ich jetzt nichts kann als trauern. Verzeih also, lieber Bruder, dass du von mir in einer großen, ernsten Sache nur einen kurzen, verwirrten Brief erhältst. Du weißt, es war von Anfang an so unter uns abgemacht, dass, wenn ich wieder hierher käme, du mich einführen solltest, damit dadurch unser beider frühere Stellung, die ja eins war, wieder in ihrer Ehre hergestellt werde. Das litt ja nun freilich Satan nicht, sondern erregte dir gerade zu der Zeit einen solchen Sturm, dass du dich ohne große Gefahr, ja die allerdrohendste Gefahr des Schiffbruchs, von deiner Gemeinde entfernen konntest. Wir schoben es also auf, bis dich der Herr aus diesem Wirrsal befreit habe. Jetzt, da wir hören, dass durch seine Gnade dort ruhige Verhältnisse eingetreten sind, liegt es im Interesse nicht nur unserer frühern gemeinsamen Amtsstellung, sondern auch meiner Person und der ganzen Kirche, dass du einmal hierher kommst. Hättest du dazu keinen andern Grund, so müsstest du mir doch halten, was du mir versprochen hast. Aber wie gesagt, mehr und wichtigere Gründe als das sind es, die dir keine Entschuldigung lassen. Als ich in Neuchatel war, hörte ich von dir ein paar Einwände, die mir missfielen. Du sagtest, das Volk habe dich einst verjagt, deshalb könne dich jetzt nicht bloß der Rat d. h. einige wenige Leute rehabilitieren. Als ob die lärmende Partei böser Menschen das Volk gewesen wäre! Und wenn es das Volk war, muss dir dann nicht jener Beschluss [vom 1. Mai 1541] genug und übergenug sein, in dem gerade das Volk es aussprach, du seiest zu Unrecht verjagt worden. Es steht ferner fest, dass die, die dich verjagt haben, teils es mit dem Leben gebüßt haben, teils aus der Stadt verbannt sind. Die Übrigen aber sind still aus Scham oder bekennen laut ihr Unrecht. Dieser Beschluss, in dem das Volk einstimmig unsere Unschuld bezeugte, war noch nicht gefasst, als du nur allzu dringlich von mir erpresst hattest, dass ich versprach zu kommen. Ich hatte damals, um es offen zu gestehen, im Sinn gehabt, bei meiner Ankunft gleich ein Zeugnis abzulegen für unsere Unschuld und unsere ganze Sache offen darzustellen, um den Bösen damit nicht nur alle Gelegenheit zum lauten Schmähen, sondern auch zum Murren zu nehmen. Wenn ich auch nicht der beste Redekünstler bin, so fürchtete ich doch nicht, dass unsere gute Sache nicht leicht darzulegen sein werde. Als mir aber das Volk mit seiner Selbstverurteilung und seinem Schuldbekenntnis zuvorkam, glaubte ich uns ganz befreit vom Zwang, uns zu rechtfertigen. Ja ganz abgesehen davon, dass es eine unnötige Mühe war, glaubte ich, man könne es gar nicht mehr versuchen, ohne den Schein unedler Gesinnung zu erwecken. Denn was wäre es anders gewesen als ein Herumtreten auf Feinden, die bereits am Boden lagen! Als ich dann hierher kam, habe ich nur ganz beiläufig von der Treue und Reinheit gesprochen, in der wir miteinander in dieser Gemeinde gelebt hätten. Von den Gegnern nur ein Wort zu sagen, hätte ich mich geschämt. Ich hätte ja den Schein erweckt, als hielte ich ihre Sache noch für unentschieden, da sie ja doch von Gott und Menschen, ja durch ihren eigenen Spruch verurteilt sind. Aber ich will das lieber mündlich mir dir besprechen. Nun zu dem, was vorliegt. Du sagst, der Rat habe nicht das Recht, dich einzuladen, da das Volk dich verjagt habe. Aber es ist doch noch kein Jahr her, seit der Zeit, da du mit dem ersten Brief des Rats zufrieden und schon in gewisser Weise zur Reise gerüstet warest. Woher nun mit einem Mal das neue Gewissensbedenken? Wie hießt die Frage, ausdrücklich mit deinem Namen, die man ans Volk richtete, als es erfuhr, die von ihm Verbannten sollten zurückberufen werden? Da wurde weder meiner noch irgendjemand anders Erwähnung getan, sondern so hießt der Wortlaut: Wollt ihr hiermit aussprechen, dass dem Farel und seinen Genossen Unrecht geschehen ist? Was verlangst du mehr vom Volk, als dass es deine Unschuld bezeuge und sich selbst schuldig bekenne? Man fügte noch bei: Wollt Ihr, dass Farel mit seinen Genossen usw.? Verzeih mir, bester Bruder, wenn ich zu hart rede, aber die Schwierigkeiten, die du machst, scheinen mir mehr aus Eigensinn als aus gerechter Erwägung zu stammen. Ich kenne freilich die Lauterkeit deines Herzens wohl, und die vielen Beispiele sind mir nicht entfallen, in denen du zur Genüge gezeigt hast, wie wenig du an dich selbst denkst. Aber gib Acht, dass auch die, die dich nicht ganz kennen, nicht von dir glauben können, was ich vorhin sagte; ja dass nicht selbst die, die es nicht glauben, Anlass finden, dich zu tadeln. Aber, sagst du, die Kirche hat nach Maßgabe der früheren Beleidigung noch keineswegs genug getan. Wer wollt das leugnen? Wenn du aber darauf siehst, wie alle Verhältnisse hier noch ungefestigt sind, um kein schärferes Wort zu brauchen, würdest du selbst dazu raten, in dieser Sache dürfe man nicht weitergehen. Ich beschwöre dich also bei Christo, lieber Farel, höre nicht auf irgendwelche Ratgeber, sondern stimme dem Rat von Leuten zu, die vorsichtig sind, aber deshalb nicht weniger um die Ehre deiner Stellung besorgt als du selbst. Und wenn du denn auch meinst, wir verstünden nichts, sähen nichts und könnten nichts beurteilen, so lass dich einmal doch erbitten, bloß weil wir deine Freunde sind.

Über die Schule wird Viret dem Cordier antworten. Der Plan, den er uns entworfen [zu ihrer Reorganisation], gefällt uns natürlich außerordentlich. Aber wenn wir nur ein Zehntel von dem, was er vorschreibt, erreichen könnten! So muss wohl das Sprichwort gelten: Solang nicht möglich ist, was wir wollen, müssen wir wollen, was möglich ist. Sorge, dass wir in beiden Angelegenheiten bald eine Antwort nach unseres Herzens Wunsch bekommen. Der Rat hätte schon einen Boten gesandt, wenn nicht dieser hier gewesen wäre. Doch haben ich und Viret erreicht, dass keine offizielle Anfrage gesandt wird, bis wir aus Euren Briefen bestimmte Hoffnung schöpfen dürfen. Ich fürchte, es wird schwer sein, Cordier zu bewegen, diese Bedingungen anzunehmen. Deine Pflicht ists, nicht zu ruhen, bis du den Mann dazu gebracht hast. Sieh also zu, nichts zu unterlassen, wenn du von mir nicht die Vorwürfe hören willst, die du verdienst.

– – – Leb wohl, bester, liebster Bruder. Grüße alle Brüder und dein ganzes Haus freundlichst.

30. Nov. 1541.
Dein
Joh. Calvin.

Ambrosius Blarer über den Tod Margarethes an Bullinger, November 1541

„Unter denen, welche ein Opfer der Pest wurden, hat der Herr, der Geber des Lebens, auch unsere treffliche und in Wahrheit unserer Kirche getreueste Dienerin, meine leibliche Schwester Margaretha zum großen Leidwesen Aller vom Tode zum Leben hinübergeführt, zu der für sie freilich rechten, für uns aber ungünstigsten Zeit, was meine Seele zuweilen so sehr erschüttert, daß ich hier die heftigen Erregungen meines Herzens fühle und durchaus fürchte, es möchte dieser Tod eine schlimme Vorbedeutung für die ganze Stadt haben, was noch viel Gutgesinnte mit mir besorgen. Denn was sie betrifft, sind wir völlig gewiß, daß sie nicht todt ist, sondern den Tod mit dem glücklichsten Leben vertauscht hat; sie hat auch ihren letzten Athemzug unter heiligen Reden ausgehaucht, im Vertrauen, ihr Tod sei kein Sterben, so daß du gesagt hättest, sie sei sanft eingeschlummert und habe ihren Geist in die Hände des treuen Schöpfers übergeben. Uns aber ist ein so großer Trost und Segen entzogen, daß wir in unserer unbeschreiblichen Trauer mehr als die Hälfte unseres Lebens verloren zu haben stets schmerzlicher empfinden. Bitte für uns, daß es uns vergönnt werde, in ihren Fußstapfen Christo nachzufolgen.“

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Farel hatte vergessen, in einem Brief an Viret Calvin zu grüßen; in einem verlorenen Brief tadelte ihn Calvin deswegen, worauf sich Farel entschuldigte.

Vom Kampf in Neuchatel, den Kollegen und der Gemeinde in Genf.

Über meine Strafrede brauchst du nicht so sehr bekümmert zu sein; ich wollte mehr mit dir scherzen, als mich ernstlich über dich beschweren. Denn ich weiß zur Genüge, dass du mich nicht vergessen hast, auch wenn du mich hundertmal in deinen Briefen übergehst. Deshalb befehle ich dir, in dieser Beziehung ganz sicher zu sein. Wenn du nur auch so leicht mit denen ausgesöhnt wärest, die dich und deine Gemeinde plagen und ermüden. Obwohl, wie du sagst, wir den Kampf mit der Welt und dem Fleisch nicht scheuen dürfen, ja, wenn wir Christo dienen wollen, ihn suchen müssen, so dürfen wir doch wünschen, dass alles, was heute noch Krieg führt gegen Christum, sich eher zu freiwilligem Gehorsam ergebe, als dass des mit Waffengewalt unterjocht, gebrochen, aber nicht gebessert wird. Weil uns aber der Herr in seinem Kriegsdienst üben will und uns nicht ruhen lässt, so wollen wir kämpfen mit tapferm, festem Mut, aber nur mit den Waffen, mit denen er uns ausgerüstet hat. Denn unter seiner Führung wird stets der Sieg nahe sein. Dass Ihr das Abendmahl gefeiert habt, besonders mit der Ankündigung, von der du berichtest, wird hoffentlich die beste Weise sein, die Gemeinde wieder zusammenzubringen. Ich höre auch, dass durch die Mäßigung, die du jetzt anwendest, mancher Leute Herz besänftigt oder überwunden wird. Hast du damit Erfolg, so vergiss nichts, was irgendwie zur Heilung der Wunde gut sein könnte. Das wird der schönste Triumph sein, wenn der Satan und seine paar Vorkämpfer von ihrer Heerschar verlassen werden. Was unsre Sache angeht, so erfahre ich immer mehr [an meinen Kollegen], dass es wahr ist, was du schreibst, von ungleichen Tieren an einem Joch; aber ich muss aushalten, was ich nicht abhalten kann. Darum bin ich zugrunde gerichtet, wenn mir Viret weggenommen wird und kann diese Kirche nicht gesund erhalten. Deshalb musst du und Andere mir verzeihen, wenn ich alle Hebel in Bewegung setze, dass er mir nicht geraubt wird. Ich will unterdessen schon für die Kirche in Lausanne sorgen, und das ganz im Sinn der frommen Brüder und auch nach deinem Urteil, wenn nur Viret mir bleibt. Das erkämpfe ich in Bern mit allen Kräften; damit es aber die Brüder [der Waadt] nicht übel aufnehmen, wenn ich sie übergehend mich an Andere wende, bin ich neulich [an ihre Versammlung] nach Vevey gekommen. Ich erreichte dort mit meinen Gründen, was ich kaum gehofft hatte, dass sie nicht zur zugestanden, sie würden nicht einschreiten, wenn die Berner ihn uns abträten, sondern sie wollten sogar erklären, es scheine ihnen im gemeinsamen Interesse der Kirchen zu liegen, wenn er auf eine gewisse Zeit mir zugesellt werde. Ich möchte nicht, dass du in dieser Sache eigensinniger wärest als so viele Leute, die sonst nicht zu den gefälligsten gehören; denn wir haben hier vielmehr Arbeit, als du denkst. Wir haben zwar ein so ziemlich willfähriges Volk. Die Predigten besuchen sie wenigstens fleißig, die sittlichen Zustände sind recht geordnet, aber doch ist noch viel Böses in den Köpfen und in den Herzen, das, wenns nicht allmählich geheilt wird, schließlich in ein ganz schlimmes Geschwür ausbricht, fürchte ich. So innerliche und verborgene Übel sind nicht ohne große Schwierigkeit zu bekämpfen, wie du wohl weißt. Du weißt auch, welche Mitkämpfer ich noch habe, wenn man mir den Einen nimmt. Für diesen Bruder haben wir treulich besorgt, was uns gut schien. Übrigens wird er, so oft er will, mich zu allem bereit finden, aber jetzt habe ich nicht mehr getan deshalb, weil es mir nicht nützlich vorkam. Bist du anderer Meinung, so will ich doch lieber dir folgen, und nichts von allem, was du mir aufträgst, lassen. Solange wir Zwei hier etwas vermögen, darfst du dich nicht beklagen, du könnest nichts tun, denn du weißt, dass wir ganz dir zu Dienst sind. Lebwohl, bester trefflichster Bruder. Grüße Alle angelegentlich, besonders Cordier, dem ich antworten will, so bald es mir möglich ist. Wir wünschen, dein ganzes Haus sei gesund.

Genf [11. Nov. 1541].

Melanchthon an Friedrich und Bonaventura Cotten, 11.11.1541

Den Erbaren, Weisen und Fürnehmen, FRiedrichen und Bonaventura Cotten, Bürgern zu Isenach, meinen günstigen Freunden zu Handen.

Gottes Gnade durch unsern Herrn Jesum Christum zuvor. Ehrbare, Fürnehme, Weise, Günstige Freunde. Nachdem ich mit euerm Bruder und Vetter, Heinrich Cotten, als mit einemm ehrlichen fleißigen Schüler, besondere Kundschaft habe, bericht er mich, daß er nun forthin sein angefangen Studium Iuris gern in andern Nationen, und vornemlich in Frankreich vollnziehen wollte, denn ihm als einem jungen Manne vonnöthen, andere Legenten und Universitäten auch zu besuchen, besonders da dieses Studium ernstlicher geübt wird. Dieweil ich denn zu seinem studio gute Hottnung habe, hab ich mir diese seine Meinung auch gefallen lassen. Denn ihr, als die Verständige, selbst wisset, daß es jungen Leuten nützlich, daß sie besonders im Studiren viele fürtreffliche Leute hören, und mancherlei gute Uebung erfahren. Bitte auch derowegen von seinen wegen, Ihr wollet euch solch sein ehrlich Fürnehmen auch gefallen lassen, und ihm freundliche Förderung dazu erzeigen. Denn durch Gottes Hülf zu hoffen, solche Erfahrung und Uebung in fremden Nationen werde ihm sehr nützlich seyn. Dieses hab ich euch freundlicher Meinung anzuzeigen bedacht, und bitte, Ihr wollet meine Schrift freundlich vernehmen. Denn Euch und den Euern zu dienen bin ich willig. Datum Wittenberg auf den Abend Martini Episcopi, 1541.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen IV.
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1837