Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (221).

Antidotum = Gegengift nennt Calvin seine Schrift gegen das Konzil.

Von der Schrift gegen das Konzil in Trient und steten Schwierigkeiten in Genf.

Nun fängt mir mein Antidotum erst zu gefallen an, seit du es so gelobt hast; denn vorher befriedigte es mich nicht. Freilich, du, der du meine tägliche Arbeit, ja die Kämpfe, in denen ich mich nicht mehr übe, sondern aufreibe, kennst, verzeihst mir vielleicht manches, was nicht ganz vollkommen ist. Ich wundere mich wahrhaftig selbst, dass eine lesenswerte Schrift jetzt durch mich entstehen konnte. Wenn du mich und meine Kollegen mahnst, ungebrochenen Mutes festzustehen, so wisse, dass mir weder Gefahr noch Mühsal den Mut gemindert haben. Aber weil ich in dieser verworrenen Lage zuweilen ratlos bin, so wünsche ich, Gott möchte mir den Abschied geben. Ein törichter Wunsch, sagst du. Ja, aber was sagte Moses, dieses berühmte Muster der Geduld? Klagt nicht auch er, eine zu schwere Last liege auf seinen Schultern? Aber mit solchen Gedanken rüttle ich mich nur auf, ich gebe mich nicht damit zur Ruhe. Unsern Leuten haben wir einige Furcht eingejagt, aber eine Besserung tritt nicht zutage. Die Frechheit ist so groß, dass all unser Rufen mit offenen, aber tauben Ohren aufgenommen wird; schließlich ist bei vielen die Krankheit unheilbar. Wir haben nämlich fast alles schon versucht bisher, ohne Erfolg. Der letzte Akt steht noch aus; ich wollte, du könntest dabei sein. Wie Gott den schlimmen Aufruhr gestillt hat, hast du wohl aus meinem Brief an Viret vernommen. Ich hatte ihm wenigstens aufgetragen [es dir zu melden]. Der Rat ernannte nun eine Friedenskommission aus uns und zehn andern zur Schlichtung aller Zerwürfnisse. Ich wollte, man sollte mit mir beginnen. Da leugnete gestern unser Cäsar, dass er irgendeinen Zwist mit mir habe; ich habe dann aber gleich mehr von ihm verlangt. In ernster, ruhiger Rede brachte ich scharfe Vorwürfe vor, doch so, dass sie durchaus nicht verletzen konnten. Wenn er mir nun auch die Hand bot und Besserung versprach, so fürchte ich doch, dass ich ganz fruchtlos einem Tauben etwas vorgeredet habe. Könntest du doch durch dein Kommen mich etwas erheitern! Ich weiß, dass einige bei Viret sich über meine übermäßige Härte beklagt haben. Ich weiß nicht, wie viel er davon glaubt; doch kommts mir vor, er fürchte doch, ich lasse meiner Leidenschaftlichkeit zu sehr den Lauf. Ich bat ihn, hierher zu kommen. Im Terenz sagt einmal einer: Wärest du hier gewesen, du dächtest anders. So könnte jetzt auch ich sagen. Wärest du an meiner Stelle, ich wüsste nicht, was du machtest. Bei all den herben Erfahrungen muss ich nun das noch schlucken. Das sage ich nicht dir oder Viret, sondern andern, die aus ihrer Muße heraus uns mit ihrem Tadel züchtigen. Eure Sympathie aber glaube ich zu sehen, so fern liegt es mir, Euch als ungerecht gegen mich anzusehen. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder, samt deinem ganzen Haus, das du von mir und meiner Frau grüßen sollst, wie auch deine Kollegen, ja alle guten Leute.

Genf, 28. Dezember 1547.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (220).

Unerträgliche Lage in Genf und Bitte um Virets Besuch.

Als unsere Stürme am heftigsten tobten, durfte ich dich doch nicht bitten, hierher zu kommen, weil ich wusste, dass dich auch in Lausanne wichtige Geschäfte festhielten. Es stand als weiterer Grund im Wege, dass gleich ein Gerücht über dein Kommen zu den [Berner] Bären dringen könnte. Da du jetzt mehr erleichtert bist, wie ich hoffe, tust du, was der Mühe wert ist, wenn du dich, am ersten Tag, an dem es geht, zur Reise gürtest. Ich habe mich noch nicht entschlossen, was ich schließlich tun soll, als dass ich die Art dieses Volkes nicht weiter ertragen kann, auch wenn sie meine Art ertragen. Und doch weiß ich nicht, weshalb sie mich der Härte beschuldigen. Freilich würde es mich nicht einmal so sehr kränken, wenn ich ihnen grundlos missfiele, wenn mich nicht auch ihre Bosheit, wie es sich gehört, so angriffe. Wie viel bleibt mir denn noch von meinem bisschen Leben, dass ich mir Zukunftssorgen machen dürfte? Aber ich bin töricht, dass ich dir dies in einem Briefe schreibe, da ich mich doch darauf verlasse, dass du bald hier bist. Lebwohl, liebster Bruder und Freund. Der Herr Jesus behüte dich samt deiner Frau und deinem ganzen Haus. Grüße deine Kollegen in meinem und meiner Brüder Namen.

Genf, 26. Dezember 1547.
Dein
Johannes Calvin.

Melanchthon, Philipp – An Herzog Albrecht von Preußen.

Wittenberg, 25. Dez. 1547

Gottes Gnad durch seinen eingebornen Sohn Jesum Christum unsern Heiland zuvor. Durchlauchtiger rc. Wiewohl die Welt leider für und für zum End nicht allein schwächer, sondern auch untugendlicher wird, so sollen doch wir, die wir gewißlich glauben, daß ein ewig göttlich Wesen sei, das alles geschaffen, und ihm eine ewige Kirchen im menschlichen Geschlecht um seines Sohnes Jesu Christi willen durch sein Evangelium allezeit sammlet, wie solches ohne Zweifel wahr ist, festiglich schließen, daß wir, die wir das Evangelium lernen, lieben und pflanzen, gewißlich Gottes Kirch seien; wie der Sohn Gottes gesprochen: wer mich liebet, der wird meine Red behalten, das ist, meine Lehr treulich erhalten helfen, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen: Dieser Trost soll ewiglich in unsern Herzen leuchten und brennen, daß wir wissen, daß uns Gott gnädig sein, und erhören und ewiglich helfen wolle. Darum obgleich jetzund große Gefährlichkeit und Anfechtung vor Augen ist, so wolle doch E. F. G. sich zu diesem Trost halten, und nicht zweifeln, Gott wird uns nicht versinken lassen. Und dieweil wir diesen Brief am hohen Fest geschrieben, daran die Gedächtniß der wunderbarlichen Geburt unsres Heilands Jesu Christi gehalten wird, welcher Tag der Anfang ist des neuen Jahrs, so bitten wir denselben unsern Heiland Jesum Christum, der wahrhaftig Gottes Sohn ist, und gesprochen hat: ich will bei euch sein bis ans Ende der Welt, er wolle Ew. F. G. und seiner Kirchen ein friedlich selig neu Jahr geben, und sie schützen und bewahren wider alle Feind. Denn er gewißlich der Herr, der wider den Teufel und alle Feind des Evangelii das schwach und verlassen Häuflein bewahrt, das Gott in rechter Erkenntniß des Evangelii anruft; wie er spricht: niemand wird meine Schafe aus meiner Hand reißen. Wir hoffen auch, er werde dem Kaiser nicht gestatten, die Aufrichtung der Abgötterei auszuführen. Und wiewohl große List und Gewalt versucht werden, so haben wir doch diese Regel: was aus Gott ist, wird nicht vertilget.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (219).

Der Rat setzte am 17. Dezember eine Kommission zur Aussöhnung der Parteien ein unter Calvins Vorsitz, wozu auch Perrin seine Zustimmung gab.

Von den bedrängten Verhältnissen eines Freundes. Schwierige Aussöhnungsverhandlungen.

Unser armer Saunier tut auch mir sehr leid. Möchte sich doch irgendeine Art zeigen, ihm zu helfen. Ich habe alles versucht, ohne Erfolg. Es ist niemand zu finden, der ihm Geld leihen will. Du weißt ja, wie die Zeitverhältnisse sind. Unter allen meinen Freunden ist heute keiner, der bares Geld hätte, das er in Landbesitz anlegen möchte. Dumont wagte ich nicht vorzuschlagen. Doch wird es nichts schaden, zu versuchen, ob er mit ihm etwas abmachen kann. Mit Gauchier Farel sprach ich auch, als er neulich hier durchreiste. Aber wenn ich mich nicht irre, wird er sich kaum dazu bewegen lassen. Wenn sich hier nichts bietet, so bleibt noch übrig, dass Saunier sich nach Bern wendet, eher als dass er sich stets in Sorgen verzehrt.

Unsere hiesigen Verhältnisse sind um nichts besser geworden. Ich höre nicht auf, vorwärts zu drängen; aber ich kam wenig, ja fast gar nicht, weiter. Eben komme ich aus dem Rat zurück. Ich habe viel gesprochen, aber das ist, wie wenn man Tauben eine Geschichte erzählt. Der Herr gebe ihnen wieder Verstand. Ich schreibe an Farel nicht; berichte du ihm alles. Lebwohl, liebster Bruder und Freund. Grüße alle Brüder und Freunde. Deiner Frau viele Grüße. Meine Frau ist ihre Gesellin im langen Kranksein. Ich fürchte, es gibt etwas Unerwünschtes. Das gegenwärtige Übel drückt uns schon genug. Möge Gott sich uns gnädig zeigen.

23. Dezember 1547.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (218).

Der Anfang des Briefes fehlt. Es handelte sich um Maigrets Prozess. Die Berner verlangten nochmals brieflich, die Sache müsse vor das Volk gebracht werden.

Calvin stillt einen Volksauflauf.

……… Unsre Gegner sind so verblendet, dass sie nicht mehr darauf achten, was ehrenhaft ist. Der gestrige Tag hat uns in unserm schon vorher gefassten Verdacht nicht wenig bestärkt; dass sie nämlich nur darum mit solcher Unverschämtheit kämpfen, um einen Aufruhr [im Volk] zu erregen. Der Rat war einberufen. Meinen Kollegen hatte ich schon Tags zuvor angesagt, ich werde ins Rathaus kommen. Wir gingen hin und zwar schon vor Beginn [der Sitzung]. Weil viele noch auf dem Platz umhergingen, so traten auch wir vor die Tür, in der Nähe des Ratshauses. Von dort her hörte man verworrenes Geschrei. Da war nicht zu zögern; es schwoll so an, dass man deutlich merken konnte, es sei offener Aufruhr. Ich lief gleich hin; schrecklich wars anzusehen. Ich stürzte mich in den dichtesten Haufen. Obwohl alle fast versteinert waren, liefen sie doch alle auf mich zu und zogen mich hin und her, damit mir kein Leid geschehe. Ich beschwor Gott und Menschen, eben deshalb sei ich hergeeilt, um mich zwischen ihre Schwerter zu stellen. Ich rief: Fangt mit mir an, wenn Blut fließen soll! Da ließen sie gleich viel von der Hitze ab, und zwar auch die Bösen, besonders aber die Gutgesinnten. Schließlich zog man mich in den Ratssaal. Dort gabs neue Händel, und ich legte mich wieder ins Mittel. Es sind alle der Meinung, nur mein Dazwischentreten habe ein großes, furchtbares Blutvergießen verhindert. Meine Kollegen waren inzwischen unter der Menge zerstreut. Ich erreichte, dass alle sich ordentlich setzten. Wie es die augenblickliche Lage erforderte, hielt ich nun eine lange, scharfe Ansprache. Man sagt, es seien alle davon wunderbar bewegt gewesen, mit wenigen Ausnahmen. Doch lobten diese nicht weniger als die Guten, was ich getan. Das Vorrecht hat Gott mir und meinen Kollegen wenigstens zum Schutz gegeben, dass selbst die Allerschlimmsten die kleinste Verletzung unsrer Person nicht weniger zu scheuen vorgeben als einen Vatermord. Doch ist im Ganzen die Bosheit so weit gekommen, dass ich kaum mehr hoffe, ein irgendwie geordneter Zustand der Kirche könne noch länger erhalten bleiben, besonders durch meinen Dienst. Ich bin ein gebrochener Mann, glaub´ es mir, wenn mir nicht Gott die Hand reicht. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Grüße deinen Kollegen und alle Brüder. Ich und meine Frau wünschen der deinen alles Gute. Der Herr sei mit Euch. Amen.

17. Dezember 1547.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (217).

Die „eiteln Gerüchte“ beziehen sich auf die Gefahr durch den Kaiser. Perrin war am 29. November durch Ratsbeschluss aus der Haft entlassen worden, weil ihm nichts bewiesen werden konnte. Maigrets Prozess war noch unentschieden.

Über die schlimmen Verhältnisse in Genf.

Es wundert mich nicht, dass du ungehalten bist, in dieser Zeit so selten einen Brief von mir zu bekommen, und ich danke dir dafür. Denn ich sehe wohl, weshalb du in Sorge um uns bist. Du hörst täglich vieles, was dir teils herben Schmerz bereitet, teils dich allerlei befürchten lässt. Was geredet wird, ist ja fast nur eitles Geschwätz, jedoch im Innern der Stadt bedrängen uns schlimme Dinge, die aber so wenig laut werden, dass sie selbst in der Stadt nur wenigen bekannt sind. Die Bestie, die neulich durch Betrug der Wärter aus ihrem Käfig entwischt ist, schnaubt nichts als Drohungen. Wenn erst Maigret weggeräumt ist, den sie schon in ihrer Hand glauben, versprechen sie sich viel. Denn sie meinen, das werde ein Pfand dafür sein, dass sie ihre jetzt unterdrückte Freiheit wieder erlangen. Sicherlich ist die Lage so verworren, dass ich dran verzweifle, diese Kirche länger aufrecht halten zu können, wenigstens durch mein Wirken. Der Herr erhöre Euer stetes Gebet für uns. Der Bruder, der dir dies bringt, wird dir alles besser erzählen können. Lebwohl, bester Bruder. Grüße alle Brüder angelegentlich.

Genf, 14. Dezember 1547.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Basel.

Aus dem Brief, der sonst nur Unwichtiges enthält, sei nur eine politische Bemerkung wiedergegeben. Die evangelischen Orte der Eidgenossenschaft standen in Verhandlung mit Heinrich II. von Frankreich wegen eines Bündnisses; doch waren sie durch die Rivalität der katholischen Orte, die zu Karl V. neigten, behindert. Konstanz war noch immer belagert.

Unzufriedenheit über die eidgenössische Politik.

– Ich hatte vergessen zu melden, dass noch nichts abgeschlossen ist zwischen dem König und Bern zur Verteidigung ihrer Gebiete. Sie können in Basel besser wissen, in welcher Lage alle Stände der Eidgenossenschaft sind. Ich glaube, jetzt oder nie ist es Zeit, sich [an Frankreich] anzuschließen. Es ist erbärmlich, dass sie nicht besser für ihr Eingangstor sorgen, ich meine Konstanz. So ist wohl zu fürchten, dass sie erst klug werden nach einem rechten Unglücksschlag oder eher nach den Schlägen, die sie bekommen werden. – –

Genf, 6. Dezember 1547.
Ihr Diener und ergebener Bruder
Johann Calvin.