Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (290).

Den vorigen Brief an Müslin sandte Calvin an Viret mit der Bitte, ihn durchzulesen und dann zu siegeln. Da er aber vergaß, sein Siegel mit zu senden, so schickte ihn Viret wieder zurück mit dem Bericht, er habe das Siegel nicht erhalten; daher die Verspätung, von der die Nachschrift des vorigen spricht. Quintin, Pfarrer zu Vivey, war an Zebedees Stelle Professor des Griechischen, Bertrand Gravier (Arenäus) Diakon in Lausanne geworden.

Vom vergessenen Siegel.

Mit dem Siegel gings so. Ich hatte es schon in der Hand, um es dem Boten zu geben, als Gauchier Farel kam und unser Gespräch unterbrach. Da er etwas länger blieb, verabschiedete sich der Bote. Ich schickte ihm gleich meinen Famulus nach, als ich merkte, was ich vergessen; er fand ihn aber nirgends. Seitdem hatte ich aber keinen zuverlässigen Menschen, dem ich das Siegel hätte anvertrauen mögen. Bei Müslin muss ich mich aber anders ausreden. Ich hoffe, dass der Husten, der dich belästigte, wieder weg ist. Führe es doch allen in den Hals, die nichts können, als übel reden! Für eine glückliche Geburt deiner Frau wollen wir beten. Dass dein Töchterlein wieder ganz hergestellt ist, freut mich. Jetzt begreife ich endlich, was deinen Besuch bei uns so lange verzögerte. Ich wills gern leiden, wenn dich dann nur das Wochenbett deiner Frau nicht länger aufhält, als wir hoffen. Lebwohl, bester Bruder und Freund samt deinem ganzen Haus. Der Herr behüte Euch alle. Grüße angelegentlich deinen Kollegen, Beza, Ribit, Merlin, Quintin, Gravier und die übrigen.

15. Dezember 1549.
Dein
Johannes Calvin.

Von Ribits Krankheit hatte ich nichts gehört. Gut, dass die erste Botschaft von dem Übel gleich die Sorge wegnahm. Wenn er schon vor vier Tagen anfing, sich besser zu befinden, so darf ich mich jetzt wohl seiner völligen Genesung freuen.

Calvin, Jean – An Müslin in Bern (289)

Vgl. 281. Über die Nachschrift vgl. den folgenden Brief.

Nochmals vom Vorurteil der wöchentlichen Kolloquien.

Wenn Euer Rat Gründe hatte, den Pfarrern die üblichen Zusammenkünfte zur Schriftauslegung für die Zukunft zu verbieten, so glaube ich dies in gerechte Erwägung zu ziehen. Aber dass das ein gutes Mittel gewesen sei, das leugne ich. Ich habe nie gehört, dass Händel in Lausanne vorkamen, bis es diesem Tollkopf [Zebedee] in den Sinn kam, die Kirche in jeder Weise in Unordnung zu bringen. Dass die Einrichtung [der Kolloquien] zu billigen ist, sieht jedermann, und die Erfahrung hat bisher gelehrt, dass sie auch nicht ohne, wenigstens mittelmäßige, Frucht blieb. Durch sie werden die am ehesten erwischt, die sich um andere Dinge kümmern als um die heilige Wissenschaft. Sie werden wenigstens durch ihr Schamgefühl dazu angetrieben. Alle haben Vorteil davon. Es ist sicher unbillig, dass durch die Frechheit eines einzigen, zur Unzeit Freudenfeste feiernden, Gesellen die fruchtbringende Übung allen übrigen genommen wird. Auch geschieht den Brüdern Unrecht, wenn sie wegen des persönlichen Vergehens eines einzigen alle geschlagen werden. Haller hat einmal den Anblick einer händelsüchtigen Disputation gehabt. Aber welcher Funke hatte das Feuer entzündet? woher stammte das Holz? Es ist bekannt genug, dass, solange dem Zebedee erlaubt war, ungestraft zu toben, die Brüder von beständigem Streit geplagt waren. Warum wurde denn seinem verrückten Wesen nicht Einhalt getan? Es hätte rechtzeitig geschehen können. Woher kams, dass sein frecher Übermut nur wuchs? Wenn du es nicht weißt, wir wissen es gut genug, wo ihm dieser Geist eingeblasen wurde. Was nun, wenn dieselben Leute, die schon lange seine Maßlosigkeit missbrauchten, um unaufhörlich den Brüdern zu schaffen zu machen, jetzt zum Verbot der Zusammenkünfte den Anstoß gaben? Dass du so heftig gegen alle Pfarrer welscher Zunge herziehst, darin hast du, scheint es mir, deine milde und maßvolle Art ganz vergessen. Ebenso wie die schwer fehlen, die mit einer Kreide, wie man sagt, alle weiß färben, ob schuldig oder unschuldig, so ists auch, wenn mit einer Kohle alle angeschwärzt werden; wo bleibt da die Billigkeit? Ich weiß wohl, wie viel viele [von ihnen] zu wünschen übrig lassen. Wäre nur die nötige Strenge angewandt worden! Ich weiß, dass viele frech und giftig sind. Aber glaube es mir, gerade solchen ist jetzt die Freiheit geboten, jeden Zügel abzuwerfen. Indessen verzeih, wenn ich unwillig werde, dass alles, was welsch heißt, so grausam verurteilt wird. Freilich will ich hier nicht meines Volkes Sache führen, und ich bin nicht der Mann, meinen Landsleuten ihre Fehler nachzusehen, aber dass ich auch ihre Vorzüge besser kenne als du, ist wohl verständlich. Was nun die bisher gebräuchliche Schriftbehandlung [in Kolloquien] angeht, so lasst uns wenigstens das alte Sprichwort gelten: Erfahrung macht selbst Narren klug. Wir haben es seit langer Zeit zur Genüge erfahren, dass diese Art der Auslegung eine nützliche Übung für die Brüder ist. Je weniger gemeinsame Aussprache der Lehre nun da sein wird, umso größer wird die Gefahr verderblicher Lehrsätze. Die Faulen werden nun ruhig schlafen; viele werden, ich weiß nicht wie, verbauern und sonst entarten. Das regt mich am meisten auf, dass alle Guten über das neue Edikt seufzen, die Bösen aber frohlocken. Wenn Ihr nun seht, wie sehr die Pfarrklasse von Lausanne, um von den andern nicht zu reden, in Unruhe ist dieser Sache wegen, so ist es gewiss Eure Pflicht, ihrer frommen Sorge abzuhelfen, soviel Ihr könnt. Dass Ihr auch in anderen Dingen mit ihnen aufs engste verbunden sein sollt, liegt nicht mehr in ihrem als in Eurem Interesse, wenn Ihr der Kirche Gottes nützen wollt. Denn, um nichts zu verschweigen, die Zurückweisung Hotmans neulich hat mich etwas getroffen, weil ich den Verdacht hegen musste, dass er bei mir gewohnt, habe ihm so geschadet. Im Vertrauen auf unsere Freundschaft rede ich freimütig mit dir und unserm Haller. Denn ich habe die Überzeugung, einiges von dem, was mir auf dem Herzen brennt, wird auch Euch missfallen. Wie dem auch sei, ich baue darauf, dass Ihr billige und freundliche Übermittler dieser meiner Klagen [an den Rat] sein werdet. Lebwohl, bester, hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Der Herr behüte dich und deine Familie, er sei stets mit dir und leite dich.

Genf, 7. Dezember 1549.
Dein Johannes Calvin.

Meine Kollegen lassen Euch grüßen.

Ich glaubte, diesen Brief mit andern dem Boten gegeben zu haben und merke jetzt, da er schon weg ist, zu spät meinen Irrtum. Dass die Hochzeit des Herzogs von Mantua mit der Tochter [König] Ferdinands von Pavia gefeiert worden ist, ist dir wohl nicht neu. Bis jetzt ist noch nichts sicher über den Nachfolger [des Papstes] Paul. Man glaubt, es werde in Italien einen Krieg geben. Der Herr gebe, dass wir Frieden suchen mit ihm.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (288).

Weggelassen eine Notiz über eine geschäftliche Sache und Schwierigkeiten in Genf, sowie eine Verteidigung der Waadtländer Kolloquien (vgl. 281). Über die Zurückweisung Hotmans vgl. 283.

Verteidigung Butzers gegen falsche Angriffe.

– Die Consensusformel haben alle meine Brüder gerne angenommen. Ihr könnt sie, wenn Ihr wollt, gleich von allen unterschrieben haben. – – –

Als neulich an ein Diakonat ein gelehrter, scharfsinniger Bruder gewählt war, derselbe, der mein Büchlein gegen die Astrologie übersetzt hat, ein Mann, der seinen Vater, einen königlichen Rat im Pariser Parlament, und die Aussicht auf ein reiches Erbe freiwillig aufgab, um für Christum zu kämpfen, da kams auf Betreiben [des Zebedee und seinesgleichen] dahin, dass der [Berner] Rat ihn zurückwies. Dass das deine Billigung nicht finden kann, weiß ich. Wenn die diese Pest der Böswilligkeit nicht kurieren kannst, so gib dir doch Mühe, sie in gewissen Schranken zu halten. Butzer beklagt sich im letzten Brief, den er mir schrieb, er werde von Hopper verleumdet, als lehre er die Allgegenwart des Leibes Christi. Wie weit er von diesem Wahn entfernt ist, dafür bin ich der beste Zeuge. Wenn du je an Hopper schreibst, so erinnere ihn daran, zu bedenken, dass Butzer einer unter den ersten Knechten Christi in unsrer Zeit ist, hochverdient um die Kirche, dass er viel Mühsal getragen hat und jetzt ein Verbannter um Christi willen ist, damit er den Greis nicht in seinen letzten Jahren unanständig behandle. Lebwohl, hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Deinen Kollegen viele Grüße von mir und deinen Angehörigen persönlich ebenso. Auch Herrn Heinrich lasse ich grüßen.

Genf, 7. Dezember 1549.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Lelio Sozzini in Zürich.

Vgl. Nr. 268. Von Calvins Antwort nicht befriedigt, hatte Sozzini seine Fragen wiederholt und vermehrt.

Warnung vor unnützer Neugier. Antwort auf verschiedene Fragen.

Ich antworte dir später, als du wünschest, weil ich nur ungern (ich muss gestehen) mich dahin ziehen lasse, wohin mich dein Brief ruft. Ich sehe, meine Antwort über die Auferstehung des Fleisches hat dir keineswegs genügt. Verlangst du aber mehr von mir [so muss ich sagen]: ich wünsche nicht einmal mehr zu wissen, als ich gesagt habe. Wenn ich zur Entschuldigung vorbringe, mehr sei mir vom Herrn nicht gegeben, so wäre es unbillig, weiter in mich zu dringen. Denn an dem Satz müssen wir festhalten: Ich glaube, darum rede ich [2. Kor. 4, 13]. Ich kann wahrhaftig sagen: In dem Glauben, den ich vor dir bekannt habe, habe ich solche Sicherheit, dass ich glaube, zu weiterem Forschen nicht das Recht zu haben. Ich höre deinen Einwand wohl: da das doch der Hauptpunkt unseres Glaubens sei, da daran unsere ganze Seligkeit hänge, so scheine dir seine genaue Untersuchung nicht überflüssig. Das sind nun zwar ganz schön klingende Verlockungen; aber was Gottes Geist durch Johannis Mund sagt: „Es ist noch erschienen, was wir sein werden“ [1. Joh. 3, 2] und die Kenntnis darüber stehe aus bis zum jüngsten Tag, das, meine ich, schreibt uns Mäßigung vor. Was ich dir schrieb, ist mir so sicher und in Gottes Wort bewährt, dass mich kein Zweifel plagt. Es genügt mir so vollauf, dass ich im Vertrauen darauf den Tod ruhig verachte. Willst du mehr, so musst du es anderswo suchen. Denn von mir erreichst du nie, dass ich dir zu lieb die von Gott gesetzten Grenzen überschreite.

Wenn ich auch im Übrigen knapper bin, als du wünschest, so verzeih. Wünscht jemand von mir Rat übers Heiraten, so werde ich nichts anderes sagen, als er solle eine Frau nehmen, die bereit ist, mit ihrem Gatten Christo zu folgen. Das soll sie aber nicht nur mit dem Munde bekennen, sondern mit der Tat beweisen. Denn wer eine Frau nimmt, die zwar sonst recht denkt, aber vom Bekenntnis der Gottlosigkeit nicht lassen will, der legt sich eine sehr böse Schlinge. Zu oft habe ich es an vielen erfahren, wie sehr die von Christo weichen, die sich in solche Ehen einlassen. Das ist Tatsache, um dir bündig zu antworten. Du fragst, ob man sich der Heirat mit einer Papistin ebenso wie der mit einer Türkin enthalten müsse. Ich für meine Person möchte es nicht wagen, selbst diejenigen, die den Aberglauben des Papsttums, in dem sie erzogen sind, innerlich festhalten, mit den Türken auf die gleiche Stufe zu stellen; denn etwas näher stehen sie uns doch. Aber ohne Vergleich sage ich doch, ein Christ hat nicht das Recht, sich mit einer Gattin zu verbinden, die Christo entfremdet ist. Dazu gehören aber, wie wir wissen, alle Papisten. Wer es für erlaubt hält, eine noch in vielen Irrtümern steckende Frau zu nehmen, wenn sie nur ihre Gerechtigkeit in Christo sucht, der bemerkt nicht, in wie vielen Fragen nachher doch Uneinigkeit zwischen ihnen sein wird. Ich werde also niemanden veranlassen, sich in diese Gefahr zu begeben; vielmehr ist meine Meinung, dass weder fromm noch mit dem Segen des Herrn heiratet, wer sich eine Gattin erwählt, die sich nicht vorher hat vom Papste scheiden lassen. Ich weiß wohl, dass nicht immer eine Entscheidung nach Wunsch möglich ist, aber die Schwierigkeit vermag doch nicht alle Schuld zu tilgen. Eine feierliche Abschwörung des Papismus ist, wenns dazu kommt, zwar lobenswert, aber ich möchte sie doch nicht als notwendig verlangen, wie ich auch keinen bestimmten Punkt feststellen möchte, bis zu welchem eine Frau, die man nehmen darf, in der reinen Lehre gekommen sein muss, nur muss sie den Feind Christi verlassen und der handgreiflichen Gottlosigkeit den Abschied gegeben haben und Christo die Ehre geben.

Wohin deine Frage zielt, ob die Kirche eine Mischehe als gültig oder ungültig anzusehen habe, ist mir nicht ganz verständlich. Denn wie nur gegenseitiges Einverständnis beider eheschließenden Personen verlangt wird, um eine Ehe in Gottes Namen und Auftrag einsegnen zu können, so ist das Band der Ehe, durch das Gatten sich einander verpflichten, auch noch gesetzmäßig, wenn ein Teil von der Pflicht abweicht. Mit Recht ist zwar der Leichtsinn einer Mischehe zu tadeln, aber das gegebene Versprechen hebt dieser Umstand nicht auf.

Soll ich von zwei Übeln das kleinere wählen, so glaube ich, einer, der unter dem Papsttum lebt, kann nichts anderes tun, als seine Kinder zu der freilich verderbten Taufe zu bringen. Wenn er die bösen Dinge, die dem Gebot Christi zuwider sind, offen verabscheut, tut er recht und nach seiner Christenpflicht. Das bedeutet zwar Gefahr für sein Leben; aber umso mehr Lob verdient der Mut, wenn einer, er sei, wer er wolle, sich durch keine Furcht hindern lässt, ein seiner Frömmigkeit würdiges Zeugnis abzulegen. Lässt einer seine Kinder ungetauft, so schafft er mehr als zweifaches Ärgernis. Dazu möchte ich nicht raten. Weil die meisten, die in der Tyrannei des Antichrists leben, sich durch ihre Schwäche hindern lassen, freimütig zu bezeugen, dass sie sich den Gräueln des Papsttums entzogen haben, so muss man sie daran erinnern, wie ich es immer tue ihnen gegenüber, wie elend und in welch Irrsal verstrickt sie sind, dass sie einer Beleidigung Gottes nicht ausweichen können als durch eine andere Beleidigung. Das heißt wirklich, zwischen Opferaltar und Opfermesser stecken, wie man sagt, wenn man seine Kinder Christo nicht darbringen kann, ohne sie durch die Gräuel des Antichrists zu entweihen, und doch auch nicht den Brauch der Taufe lassen kann, ohne den Tadel der Verachtung des Christentums auf sich zu nehmen. Den Stachel gebe ich allen zu fühlen, die sich in diesen Verhältnissen wohl zu befinden vorgeben; sie sollten ihr Elend doch auch in ihren Kindern erkennen.

Wenn ich [in meinem letzten Brief] doch einen Unterschied mache zwischen der papistischen und einer zum Spaß nachgeahmten Taufe, so machst du dir daraus eine Antwort zurecht und bekämpfst sie, als ob ich sie so gegeben hätte. Ich weiß aber, du findest in meinem Brief nichts davon, dass die Wirksamkeit der Taufe abhänge von der Absicht des Taufenden. Irre ich mich nicht, so habe ich nur gesagt, sie sei wirksam, insofern sie vollzogen werde zum Zweck, uns in den Leib Christi aufzunehmen oder ein Sinnbild unserer Erneuerung zu sein. Das kümmert mich nicht, obs ein Spötter ist, der tauft, oder der Teufel selbst. In Betracht fällt nur die Einsetzung und der ununterbrochene Brauch des Taufens nicht erst von gestern; denn weder die Papisten, noch andere Götzendiener haben ihn erfunden. Du magst ihn also verkehrt finden, wenn du ihn nicht in seiner ursprünglichen Gestalt wiederherstellst. Aber so sehr er auch durch falsche Zusätze verderbt ist, fest blieb doch stets das: es wird getauft auf den Befehl Christi im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes als ein Zeugnis der Wiedergeburt. Das ist der Zweck, der, wie ich meine, in Betracht gezogen werden muss. In ganz derselben Weise hat einst Gott bei der Entweihung aller andern heiligen Bräuche die Beschneidung nichtsdestoweniger gelten lassen, weil sie eben den Zweck hatte, das Siegel des göttlichen Bundes zu sein: Ich will dein Gott sein und deines Samens nach dir [1. Mose 17, 7]. Als damals unter Josia das Volk den Bund von neuem schloss und feierlich Buße tat für seinen Abfall, wurde doch die Beschneidung nicht wiederholt, wiewohl auch sie nicht nur durch die allgemeine Untreue, sondern durch vielen gottlosen Aberglauben befleckt war. Denn soviel vermag die heilige Einsetzung Gottes, dass sie unter vielfacher Verderbnis durch die Menschen doch noch stark genug ist, ihre Wirksamkeit zu behalten. Denn es drang nicht, wie du meinst, eine Nachäffung der Taufe ins Volk Gottes ein, sondern [bloß eine falsche] Beobachtung einer von Gott überlieferten Einsetzung. Und doch waren die Söhne entartet, die das mit den Vätern geschlossene Bündnis verletzt hatten.

Wenn ich sage, auch im Papsttum seien Überreste der Kirche geblieben, so beschränke ich das nicht auf die Erwählten, die darin hier und dort zerstreut sind, sondern ich meine wirklich, es ist im Papsttum die Ruine der zerstörten Kirche vorhanden. Aber um mich nicht in lange Erörterungen einlassen zu müssen: Pauli Autorität muss uns da zufrieden stellen, der sagt, der Antichrist werde sich in den Tempel Gottes setzen (2. Thess. 2, 4). Freilich glaube ich es auch mit genügend sichern Gründen bewiesen zu haben, dass die Kirche, zwar halb zerstört, ja, wenn man will, ganz zerstört und entstellt, doch in gewissem Sinne noch im Papsttum geblieben ist. Du fragst, warum ich nicht dulde, dass im Privathaus eines frommen Mannes die Taufe rein nach Christi Vorschrift vollzogen werde. Die Antwort ist leicht. Denn eine Taufe dieser Art, wie sie bei uns hier nicht erlaubt, ja sogar rechtlich verboten ist, duldete ich persönlich lieber als die päpstliche Taufe, die von so manchem Schmutz befleckt ist. Aber hier handelt es sich nicht darum, was ich billigen könnte. Wenn du aber glaubst, ich halte die Taufe für nichts, die irgendeiner meiner Amtsbrüder vielleicht in einem Privathaus vollzogen hat, so ist mir das nie in den Sinn gekommen; das bezeuge ich vor Gott und Menschen. Denn es ist etwas ganz anderes, zu entscheiden, ob etwas recht und echt ist, als ob unter fremdartigen Zusätzen noch etwas von Gottes Einsetzung vorhanden ist.

Wenn ein Türke durch feierliches Glaubensbekenntnis in die Kirche aufgenommen ist, so sind zweifellos seine Kinder auch zu taufen. Denn da gilt die Verheißung: Ich will dein und der Deinen Gott sein.

Die Furchtsamkeit, die manche Leute veranlasst, so vorsichtig zu leben, dass sie den Verfolgern nicht verdächtig werden, einfach zu verdammen, steht mir nicht zu. Denn einer ist Gesetzgeber und Richter, und ich sehe, dass sein Mund sie nicht verdammt. Die aber meinen, ihr schlaues Heucheln beim Messegehen sei ein nützliches Mittel zur Förderung der Ehre Gottes, die mögen doch bedenken, dass Gott nicht so schwach ist, dass er unserer Lügen bedürfte [Hiob 13, 7 Vulgata]. Zwar ist es wahr, dass bei diesem Anlass zuweilen Leute für Christum gewonnen werden. So oft das geschieht, will ich mich nach Pauli Beispiel [Phil. 1, 18] freuen. Denn in welcher Weise auch das Reich Christi ausgebreitet wird, müssen wir es als Gewinn ansehen. Aber jetzt handelt sichs darum, ob eine solche Nachgiebigkeit [gegen die Umgebung] Gott wohlgefällt. Da sagt er selbst aber nein. – –

7. Dezember 1549.

Johann Ernst an Justus Jonas

7. Dec. 1549

Von Gots gnaden Johans Ernst, hertzog zu Sachsen.

Unsern gnedigen grus bevhor. Wirdiger und hochgelarter, lieber andechtiger, wir geben euch guter meynung zu erkennen, wie das wyr durch unsern lieben andechtigen doctor Morlyn bericht seynd worden, erstlichen das ir uns ewrn unterthanigen dinst hapt vormelden und antzeigen lassen, solchs thun wir uns widderumb jegen euch gantz gnediglichen bedancken. Zum andern hatt er uns auch angezeigt, wie das ir uns zum unterthenigsten bitten thutt, das wir uns ja nichtes wollen schrecken lassen der Interims halben, darauff geben wir euch zu vorstehen, ob wohl gleich das Interim uns von dem bapst, auch von dem bischoff dreymhall zugeschickt ist worden, haben wir doch nitt darein wollen willigen, und haben derhalben key. mayt. wollen uns bey der rechten warheit des euangelij bleiben lassen, aber uns ist kein antwortt widder worden. Wir sind aber durch vorleihung Gots gnad entlichen entschlossen, bey der rechten warheitt zu vorharren, das helft uns Christus Jesus. Sulchs haben wir euch unangetzeigt nitt wollen lassen, dann womit wir euch gnedigen guten willen wissen zu ertzeigen, seind wir zu yder tzeitt geneigt. Datum in unser Ehrnburgk zu Coburgk, sonnabent nach Nikolai ihm 49. Jhar etc.

Unser eigen handschrifft m. pr.