Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (512).

Nr. 512 (C. R. – 2557)

Ribit war Professor in Lausanne; er hatte Calvin offenbar wegen eines nach Frankreich zu sendenden Pfarrers geschrieben. Antistes Sulzer von Basel hatte von der Reformation in der Grafschaft Baden-Durlach berichtet, zu der Superintendent Jakob Andreä aus Göppingen berufen worden war.

Von körperlichen Leiden. Die Reformation in Baden.

Auf den Brief unseres Bruders Ribit antworte ich dir, damit der Bote nicht meint, es sei zwischen uns eine Entfremdung eingetreten. Sobald der nach Montbeliard Geschickte zurückkommt, haben wir jemand zur Hand, der mit dem Schulmeister reisen kann. De Dommartin wird, ehe zwei Tage um sind, von mir Antwort erhalten. Eben greift mich das Leibweh so heftig an, dass ich nicht gut länger schreiben kann. Das ist nun schon der vierte Tag, und ich spüre noch nicht, dass es viel nachlassen will; dazu habe ich noch mit Klystieren zu tun.

Weil mir Ribit von der Reformation in der Markgrafschaft Baden geschrieben hat, lege ich dafür einen Brief Sulzers bei, aus dem Ihr einiges darüber erfahrt. Es freut mich, dass ein Gelehrter, wie dieser Jakob Andreä, der uns gar nicht fern steht, mit ihm dazu berufen worden ist; er wird ohne Zweifel auf fromme Mäßigung bedacht sein. Allen Kollegen viele Grüße. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Der Herr sei stets mit Euch, er behüte und leite Euch.

Genf, 29. November 1556.
Dein
Johannes Calvin.

Simons, Menno – Brief an die Gemeinde zu Emden, Ost Friesland, Deutschland

„Einen andern Grund kann zwar niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christ,“ 1. Cor. 3,11

Es betrübet mein Herz den Brüdern melden zu müssen, daß ich einen Brief nach dem andern empfange, deren jeder eine Klage über den Bann enthält, wo derselbe auf Mann und Weib Anwendung findet; dieser Punkt veranlaßt bei manchen Störungen, welche mich ganz und gar nicht überraschen. Denn seit dem Beginn meines Dienstes, also länger denn zwanzig Jahre, habe ich diesen Ausgang gefürchtet, welcher auch nicht geordnet werden kann unter einer Aufregung, wie sie gegenwärtig in den Niederlanden herrscht. Unser Bruder Dietrich Philip und ich beriethen uns mit den Aeltesten bezüglich dieser Angelegenheit schon im Jahre 1546, und es wurde damals beschlossen, in derselben je nach den Umständen zu handeln; auch wurde derselbe Beschluß vor zwei Jahren zu Wismar wieder erneuert. Daher sollten wir nach den bestimmtesten und deutlichsten Regeln ermahnen; gelingt es uns aber nicht dadurch sie zu überzeugen, so sollten wir niemand zwingen darüber hinauszugehen, was er in seinem Gewissen für recht erkennt, sondern ihn mit Liebe und Geduld behandeln. Ich hoffe daß ein jeder fromme Mensch in des Herrn Wort genügend unterrichtet ist, um zu wissen daß, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich des Ehebruchs schuldig macht, oder Zauberei treibt, oder Diebstahl oder irgend ein anderes Verbrechen begeht, solche verbrecherische Handlung von der Obrigkeit summarisch bestraft wird; auch ferner: daß, im Falle man seine Ehegenossens halber, nicht ungestört nach seinem Glauben leben kann, sondern geschlagen und gemißhandelt wird, und demzufolge in seinem Glauben zurückweicht durch die Hindernisse, welche aus einer so übel gepaarten Ehe entspringen, man solchen Ehegenoß verlassen sollte, will man frei vor Gott und der Gemeinde darstehen und seine Seele erretten. Wenn er oder sie aber in allen Dingen ungestört nach seinem oder ihrem Glauben leben kann, und nicht mit falscher Lehre angegriffen wird, dann sind sie gewissenhaft verbunden ungestört bei einander zu bleiben; denn sie sind ein Fleisch und leben zusammen, gleichwie Mann und Weib leben sollten.

Da es mit vielen Gefahren und Anstößigkeiten verknüpft ist, die auf diese Weise verbundenen Seelen, welche in anderer Hinsicht in allen Stücken vor Gott unsträflich wandeln, mit dem Bann zu bestrafen; und da wir alle Fleisch sind, os bete ich, daß der allbarmherzige Gott mich verhindern möge, solcher Lehre beizupflichten oder gar dieselbe zu verbreiten. Aus diesem Grund ist mein Herz mit Kummer erfüllt, da ich höre, daß man der Swaanthe Rutgers eine gewisse Zeit setzte, binnen welcher sie ihren Mann verlassen sollte; widrigenfalls sie in den Bann gethan und dem Satan anheimgegeben werden sollte.

O, meine auserwählten Brüder, betrachtet wohl was ihr thut. Welche verleumderische Worte werdet ihr in den Mund der Verleumder legen! Und was für schlimme Gerüchte werdet ihr verbreiten von des Herrn Wort und seiner Kirche! Wie viele betrübte Seelen werdet ihr bekümmern! Ja, wie viele Seelen werdet ihr von der Wahrheit trennen, und was für Gefahren werden euch umringen! Wir wagten niemals solcher Lehre zu folgen aus Furcht vor den Folgen. O daß ihr davon abstehen möchtet. Wie würde ich betrübter Mann mich darüber erfreuen! Mein Herz wird niemals in solche unklugen Handlungen einwilligen noch zu solchen Vornehmen Amen sagen.

Nach meiner geringen Begabung wünsche ich ein Evangelium zu lehren, welches aufbaut, nicht ein solches, welches niederreißt. Ein Evangelium, das annehmbar, nicht ein solches, welches anstößig ist; und ich beabsichtige nicht den Gottesdienst mit etwas zu erschweren, für das ich keinen Schriftgrund habe. Ich kann weder den Glauben anderer lehren, noch vermöge desselben leben. Ich muß durch meinen eigenen Glauben leben, wie der Geist des Herrn mich durch sein Wort gelehrt hat.

In Vorstehendem habt ihr meine Vermahnung. Gott gebe, daß ihr dieselbe in aller Liebe, allem Frieden und Einigkeit befolgen möchtet. Seid weder zu hart noch zu gelinde. Der Bann ist zur Besserung eingeführt, nicht zur Verschlimmerung. O daß doch alle in dieser Angelegenheit mit mir eines Sinnes wären! Wie weislich würde der Bann in dieser Hinsicht gehandhabt werden. Wie es nun aber ist, folgt ein Jeder seinen Neigungen und wähnt, es sei Geist und Schrift.

O Herr! verleihe ihnen deinen Geist und deine Weisheit, damit sie recht sehen und richten mögen, und fleißig sind zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens, Eph. 4,3. Geliebte Brüder, folget meinem Rath um Gottes willen; denn das wird manche Seelen erfreuen. Der Geist der Weisheit sei mit euch bis in die Ewigkeit, Amen. Euer unwürdiger Bruder

Menno Simon

Am 12. November, A. D. 1556

Quelle:
Die vollständigen Werke Menno Simon’s, 
übersetzt aus der Originalsprache, dem Holländischen.
Funk Ausgabe 1876