Calvin, Jean – An die Pfarrer von Neuchatel.

Nr. 582 (C. R. – 2966)

Farels Verlobung, die nach damaligem Brauch als förmlicher Eheschluss galt, erregte in Neuchatel solches Ärgernis, dass die andern Pfarrer sofortige Scheidung wünschten und disziplinarisch gegen Farel vorgehen wollten.

Ratschläge wegen Farels Verlobung.

Sehr liebe Brüder, ich bin solcher Bestürzung, dass ich nicht weiß, wie ich es anfangen soll, Euch zu schreiben. Wirklich war unser armer Bruder Mag. Guillaume diesmal so unbedacht, dass wir uns alle mit ihm schämen müssen. Aber soviel ich sehe, kann man dem so nicht abhelfen, wie man es schon versucht haben soll; denn da es kein Gesetz gibt, das eine solche Ehe hindert, so weiß ich nicht, ob es erlaubt wäre, sie zu trennen, wenn sie einmal geschlossen ist. Es gäbe nur noch mehr Ärgernis. Handelte es sich um irgendeinen Privatmann, so ginge die Sache wohl eher an; aber hier, sagten da nicht alle Böswilligen und dächten alle Einfältigen, die Pfarrer wollten ein Gesetz für sich haben und ihrem Stande zu lieb brächen sie das festeste Band der Welt? Denn wiewohl Ihr etwas ganz anderes bezweckt, so könnte man eben doch meinen, Ihr wolltet ein Vorrecht vor anderen, als ob Ihr nicht dem gewöhnlichen Gesetz und Recht unterworfen wäret. Wäre man von der Sache rechtzeitig unterrichtet gewesen, so hätte man das törichte Vorhaben hintertreiben müssen, wie das eines Menschen, der den Verstand verloren hat. Da er aber zu allem übrigen sich so in die Geschichte hineingestürzt hat, dass man ihn nicht einmal von seinem Fall wieder aufheben kann, so überlegt Euch doch sehr, ob das Mittel angeht, eine bereits geschlossene Ehe für null und nichtig zu erklären. Sagt man, ein solches Eheversprechen sei wider die ehrbare Ordnung der Natur und brauche deshalb nicht gehalten zu werden, so müsst Ihr eben doch bedenken, ob der Fehler nicht zu ertragen ist wie vieles andere, was man nicht ändern kann. Noch vor einem halben Jahr hätte der arme Bruder selbst kühnlich gesagt, man müsste den als kindisch gewordenen festnehmen, der in so hohem Alter ein so junges Mädchen nehmen wollte; nun aber, da die Sache einmal geschehen ist, ists nicht leicht, sie wieder ganz zu zerstören. Da ich dafürhielt, er könne sich nicht mehr frei machen, noch hätten wir ein Mittel es zu tun, habe ich ihm dann von mir aus gesagt, es sei besser rasch zu handeln, als durch Zögern noch mehr Geschwätz aufkommen zu lassen. Hätte auf der einen oder der andern Seite Betrug oder Umgarnung vorgelegen, so wäre ja gut und leicht abzuhelfen gewesen; da aber das einzige Übel in der Ungleichheit des Alters bestand, so hielt ich die Tat für eine unheilbare Krankheit, die durch alle ärztliche Behandlung nur verschärft und verschlimmert würde. Deshalb habe ich, nachdem ich mich über sein Vorgehen scharf und bitter beklagt hatte, ihm gegenüber geäußert, mehr wolle ich nicht sagen aus Furcht, ihn ganz in Verzweiflung zu stürzen; ich habe wirklich immer befürchtet, es könnte sein Tod sein, wenn ich die Folgen vorausbedachte, die es haben könnte. Hätte er wenigstens meinen Rat befolgt, sich nicht von Neuchatel zu entfernen, so hätte man ein sanfteres und maßvolleres Vorgehen gegen ihn eingeschlagen; nun ist seine Abwesenheit schuld, dass man viel gröber und heftiger mit ihm verfuhr, so dass er mir doppelt leid tut. Aber ich bin auch ganz verwirrt, umso mehr, als er selbst sich jeder Hilfe entziehen zu wollen scheint. Immerhin kann ichs nicht lassen, Euch zu bitten, Ihr wollet Euch daran erinnern, wie er mehr als sechsunddreißig Jahre lang sich redlich gemüht hat, Gott zu dienen und die Kirche zu erbauen, wie reichen Nutzen seine Wirksamkeit gestiftet hat, mit welchem Eifer er stets gearbeitet hat, ja wie viel Gutes Ihr schon von ihm erfahren habt. Das möge Euch doch zu einiger Milde stimmen, nicht so, dass Ihr dem Übel Eure Bestätigung gebt, aber doch, dass Ihr nicht zur äußersten Strenge greift. Da es aber nicht an mir ist, Euch Vorschriften zu machen, will ich nur Gott bitten, Euch so zu leiten in Klugheit und Takt, dass das Ärgernis, so gut es eben geht, gestillt werde und doch der arme Bruder nicht vor Traurigkeit umkomme. Ich bitte, mich den gnädigen Herren von Neuchatel ergebenst zu empfehlen, denen ich nicht besonders schreibe; denn ich bin ganz stumm vor Staunen. Indessen bitte ich nochmals unsern lieben Gott und Vater, er wolle Euch behüten, Euch reich werden lassen in allem Guten und stark in aller Tugend, damit sein Name allezeit verherrlicht werde unter Euch.

Genf, 26. September 1558.
Euer ergebener Bruder
Johannes Calvin.

Melanchthon an Kurfürst August

1558 d. 18. September

Gottes gnad durch seinen Eingebornen Son Jhesum Christum vnsern heiland vnd warhafftigen helffer zu uor Durchleuchtister hochgeborner gnedigster churfurst vnd herr, Ecfg beuelch belangend die antwort vff die weimarische schrifft, habe Ich vff heut Sontag den 18 tag Sepemtbris empfangen, vnd Ist die zeit Eben kurtz zu diser stellung bestimmet, doch will Ich so viel mir moglich ist, mitt gottes hulff, Ettwas zusamen zihen,

Ich wölte auch das die chur vnd fursten, pfalntz vnd witteberg nicht so seer zur antwort Eileten, vnd bleibe Entlich vff dieser meinung das In namen der chur vnd fursten kheine antwort geben werde, Also habe Ich auch dem durchleuchtisten hochgebornen fursten vnd herrn, herrn Otthenrichen, pfalntzgrauen churfürsten rc. geschriben,

Ecfg werden auch befinden das durch herczog Fridrichsen pfalntzgrauen, practiken versucht werden, davon Ich schrifften habe, Es solte aber billich die Bairische Inquisition die pfalntzgrauen bewegen Ernstlich sich wider die Bepstlichen sich zusamen zuhalden, Der allmechtige Son gottes Jhesus Christus wolle gnediglich Ecfg  vnd Ecfg gemahel vnd Junge herrn an seel vnd leib sterken, vnd Ecfg regirn, vnd disen landen vnd kirchen, friden geben, Datum Sontags den 18 Septembris Anno 1558

Ecfg armer diene Philippus Melanthon

Zeitschrift für die historische Theologie
herausgegeben von Dr. theol. Christian Wilhelm Riedner
Neunundzwanzigster Band.
Neue Folge. Dreiundzwanzigster Band.
Gotha.
Friedr. Andr. Perthes.
1859

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Metz.

Nr. 580 (C. R. – 2955)

Metz, obwohl in französischer Macht, gehörte nominell noch zum deutschen Reich; so suchte die trotz der Guisen entstandene evangelische Gemeinde ihren Schutz bei deutschen Fürsten. Sie hatte Calvin gefragt, ob sie es wagen dürfe, schon ehe sie dieses Schutzes sicher sei, offen aufzutreten. 1543 war den Metzer Evangelischen vertragsmäßig freie Religionsübung in einer Kirche der Stadt zugestanden worden. Antoine de Dommartin in Neuchatel (vgl. 569) interessierte sich für die Gemeinde in Metz und hatte ihr einen Prediger namens Pierre Villeroche gesandt. Über Pierre Alexandre, französischen Pfarrer in Straßburg, vgl. 457.

Eigenes Handeln besser als Verlass auf Fürstenhilfe.

Sehr geliebte Herren und Brüder, nachdem wir Herrn de Dommartin gehört und auch Eure schriftliche Darstellung der Verhältnisse gelesen haben, scheint es uns, Ihr tätet am besten, in Gottes Namen mit öffentlichen Versammlungen zu beginnen, sowohl zum Gebet als auch zur Belehrung in seinem Wort; denn nur so gelangt Ihr in den Besitz und gebt Anlass zu der Hilfe, die Ihr braucht, nämlich dass der Pfalzgraf und die anderen Fürsten sich der Sache annehmen. Denn tut Ihr nicht in Metz selbst etwas, so wird – glaubt mir – alle fremde Verwendung für Euch sehr kühl herauskommen, so sehr man sich darum bemüht. Erstlich wissen wir nicht, ob der Pfalzgraf dazu zu bringen wäre, beim König um Versammlungsfreiheit für Euch zu bitten; denn damit gäbe er sich den Schein, als anerkenne er die Usurpationspolitik Frankreichs Eurer Stadt gegenüber. Aber den Fall angenommen, es sei dies bereits erreicht, so seht, ob es nicht eher ein Rückschritt als ein Fortschritt wäre, denn ein solches Bittgesuch wäre bald abgeschlagen und irgendein Schreiber fände leicht allerlei Vorwände, dass man gar nicht darauf einträte. Dagegen zettelte dann der König in Metz selbst neue Ränke an, um Euer Vorhaben zu hintertreiben, und ihr wäret weiter vom Ziele als je. Deshalb ist es vor allem nötig, dass Ihr Euch einfach in Besitz des Versammlungsrechts setzt, damit Ihr dann von den Fürsten darin begünstigt und unterstützt werdet. Übrigens sind wir der Meinung, beides sollte zugleich geschehen, nämlich dass Ihr beginnt, durch Versammlungen in einem Privathaus den Wunsch nach der reinen, evangelischen Lehre zu äußern, und während dem bereits jemand wisst, der bei den Fürsten darauf hinarbeitet, dass sie Eure Sache an die Hand nehmen. Wir sehen wohl, dass das Versammlungsverbot, das man gegen Euch erlassen hat, dem Wagnis, etwas zu beginnen, ehe Ihr fremder Hilfe sicher seid, stark im Wege steht. Aber wenn möglich, müsst Ihr diese Versuchung überwinden; denn habt Ihr nicht den Mut, Euch offen zu erklären, so wird sich kein Fürst finden, der mit der Sache zu tun haben will, und wenn sie sich sogar für Euch verwendeten, würde es nichts nützen. Werdet Ihr übrigens wegen der Übertretung des Versammlungsverbots gescholten und bedrängt, so könnt Ihr Euch damit entschuldigen, dass Ihr es nicht verletzt zu haben glaubt, da Ihr ja die Staatsordnung nicht stört, sondern nur von der Freiheit Gebrauch macht, die Euch im Vertrag von 1543 gewährleistet worden ist. Dass dieser Vertrag Euch hilft, könnt Ihr ruhig behaupten, da ja, was seither unter den Ständen des deutschen Reichs beschlossen worden ist, ihm durchaus entspricht. Ihr könnt auch darauf hinweisen, dass der König, insofern er sich Protektor von Metz nennt, Euch an Eurer Freiheit nicht hindern darf und ebenso wenig sein Kronrat, da der König [als Protektor von Metz] Glied des deutschen Reiches ist. Immerhin wird es meines Erachtens das beste sein, als Prediger einen Mann zu wählen, der nicht seiner Herkunft nach Untertan des französischen Königs ist, damit man sich nicht so kühn an ihn wagt. Wäre es möglich, mit Erlaubnis der gnädigen Herren von Straßburg Mag. Pierre Alexandre zu erhalten, so wäre das das Beste; denn er ist Bürger ihrer Stadt, und sie hätten damit mehr Anlass, sich der Sache anzunehmen. Ihr dürft zwar glauben, dass auch jeder von uns bereit wäre, sich für Euch hinzugeben bis ans Ende; aber ein besonderer Grund hindert uns daran, nämlich dass einige Tollköpfe in Deutschland unter dem Vorwand, dass wir ihrer phantastischen Lehre von der leiblichen Gegenwart Jesu Christi im Abendmahlsbrot nicht beipflichten, uns heftigere Gegner wären als die Papisten. So wollen wir, da es für den Augenblick besser ist, sich ruhig zu verhalten, Euch nur raten, was wir an Eurer Stelle täten. Macht es Schwierigkeit, von den gnädigen Herren von Straßburg für Mag. Pierre Alexandre Urlaub zu erlangen zu einem solchen Versuch in Metz, so müsste man die Fürsten in diesem Fall ersuchen, die Straßburger heimlich zu ermahnen und aufzufordern; denn wir sind überzeugt, sie tun es, wenn sie sich dazu ermächtigt sehen. Das ist so im großen und ganzen das Vorgehen, das wir für das beste und praktischste halten, und da Euch seine Schwierigkeiten Bedenken machen könnten, so bitten wir Euch, zu erwägen, dass es Gottes Sache ist, in der man sich nicht feige zeigen darf. Vielmehr vertraut auf ihn, er wird in seiner Macht dahin wirken, dass es einen bessern Ausgang nimmt, als Ihr nur ahnen könnt; denn es handelt sich um die beiden Dinge, die ihm am meisten gelten, seine Ehre und das Heil seiner Kirche. Ihr dürft nicht zweifeln: wenn Ihr daran arbeitet, seinen Dienst wiederherzustellen und für seine Anbetung und für Verkündigung der Lehre des Lebens unter Euch zu sorgen, dann wird er seine starke Hand über Euch halten. Und hat Euch bisher Furcht gehindert, Eure Pflicht zu tun, und der heiligen Wahrheit Gottes die Tore von Metz verschlossen gehalten, so gebt Euch Mühe, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen. Da wir unsrerseits nicht mehr tun können, werden wir mit Euch kämpfen in unserm Gebet, wie wir den lieben Gott und Vater der Barmherzigkeit bitten, Euch in seiner Hut zu halten, Euch zunehmen zu lassen an allen Geistesgaben, Euch zu leiten durch seinen Geist und Euch zu stärken zu unüberwindlicher Standhaftigkeit, damit er verherrlicht werde.

Den 10. September [1558].

Melanchthon an Kurfürst August

1558 d. 9. September

Gottes gnad durch seinen Eingebornen Son Jhesum Christum vnsern heiland vnd warhafftigen helffer zu uor, Durchleuchtister hochgeborner gnedigster churfurst vnd herr, vff den neunden tag Septembris hab Ich Ecfg schrifft Empfangen, das Buch darinn die Frankfordischen abschied rc. verzeichnet, gen Dresden zu schiken, welches ich alß bald dem Botten Jacob Ekhart geben, gen Dreßden zu bringen, hett auch gern Ecfg dabey gesant, was des churfursten zu Brandenburg gesandten vff den 21 tag Augusti mitt mir geredt, so hab ich doch In der Eil bey disem Botten, dieselbige schrifften nicht fertigen khonnen, Doch ist dises die Summa, vff den 20 tag Augusti sind anher khomen der Cantzler Doctor Distelmeyr vnd Magister Johann Eißleben, Ist der Cantzler am Sontag fruw zu mir khomen, denn die herrn doctores Doctor Laurentius vnd dochtor Cracouius sind nicht alhie gewesen, vnd hatt mich bericht, Ehr khonne nicht verzihen, vnd so viel dise sach belange, lassz yhm der churfurst zu Brandenburg dises bedenken gefallen, Das In der chur vnd fursten namen, den hertzogen zu Sachsen die der chur vnd fursten Consension anstechen, gantz nichts geantwort werde, Das aber Eine gruntliche schrifft one alle Sophistrey gestellet werde von Ettlichen, welchen dauon beuelch zu thun, die Ernach durch die chur vnd fursten selb, vnd andre verstendige bewogen werde, welche schrifft moge furgelegt werden, oder sunst ans liecht bracht, so die Reprehension an tag geben wurde, oder Ein Synodus außgeschriben wurde, Dise meinung hab Ich mir auch gefallen lassen, vnd habe grosse bedenken. darumb In der chur vnd fursten namen kheine disputation zu erregen sey, Davon Ich Ecfg In andern lengern schrifften mehr berichts thun will,

Der allmechtige Gott wolle Ecfg an seel vnd leib sterken, Datum Eilend 9 Septembris 1558.

Ecfg armer vntertheniger diener Philippus Melanthon.

Zeitschrift für die historische Theologie
herausgegeben von Dr. theol. Christian Wilhelm Riedner
Neunundzwanzigster Band.
Neue Folge. Dreiundzwanzigster Band.
Gotha.
Friedr. Andr. Perthes.
1859

Calvin, Jean – An Charlotte de Coligny in Fort de l´ Ecluse.

Nr. 579 (C. R. – 2951)

Charlotte de Coligny, geb. de Laval, teilte offenbar ihres Mannes Gefangenschaft und bewog ihn, zum evangelischen Glauben überzutreten.

Vom Segen der Trübsal.

Madame, wenn die Traurigkeit, die Sie bei der Gefangennahme Ihres Herrn Gemahls empfanden, auch hart und bitter für Sie war, so hoffe ich doch, Sie werden zum Teil wenigstens bereits an ihren Früchten erkannt haben, dass Gott Ihnen eine solche Heimsuchung nur gesandt hat zu Ihrem Wohl und Seelenheil, und das muss ja all unser Leid versüßen und uns geduldig machen, so dass wir uns Gott gutem Willen friedlich unterwerfen. Wir müssen es merken, dass er nicht nur unseren Glauben prüft, sondern auch, wenn er uns den trügerischen Lockungen und Lüsten dieser Welt entzieht, uns seine Güte schmecken und seine Hilfe spüren lässt und uns sozusagen unter seine Flügel sammelt, damit wir mit David sagen können, dass unser höchstes Gut ist, ihm anzuhangen [Psalm 16, 5]. Tatsächlich ist es ja schwer, wenn wir, wie man sagt, glücklichen Wind im Segel haben, dass unser Herz in seiner Freude sich nicht verliert, und es ist kein Wunder, dass es nicht oft vorkommt, dass jemand, der lang im Glücke lebt, sich hält in der Furcht Gottes. Gerade eben um seine Kinder im Zaum zu halten, schickt ihnen Gott allerlei Trübsal. Ja wir sehen, selbst David brauchte solche Arznei, denn er bekennt, dass auch er, als es ihm wohl ging, sich selbst mehr zuschrieb, als er durfte, und nicht mehr daran dachte, dass seine ganze Kraft darauf beruhte, sich auf Gott zu stützen [Psalm 30, 7]. Ich zweifle nicht daran, dass auch Sie seit einem Jahre gemerkt haben, dass diese Züchtigung Ihnen nützlicher war, als Sie es sich je hätten denken können, bevor Sie sie erfahren hatten, und daran spüren wir, dass, obwohl wir das so genannte Unglück gemein haben mit Ungläubigen und Weltmenschen, Gott doch das segnet, was wir zu leiden haben und es so zu unserem Besten wendet, dass wir uns stets trösten, ja uns freuen können in unserem Leid. Ja, Sie müssen auch erkennen, dass es Gott noch gefallen hat, schonend mit Ihnen umzugehen, wenn Sie sehen, wie viel schärfer er viele andere behandelt, die doch nicht einmal irgendeine Erleichterung in ihrem Schmerze haben. Das geschieht, damit Sie umso leichter aus seiner Mahnung Nutzen ziehen können, ohne durch Güter und Ehren dieser Welt aufgehalten zu werden; ja, wenn es ihm gefallen sollte, Ihnen davon wieder mehr als bisher zu geben, dass Sie sich dann hüten, Ihr Herz daran zu verlieren, vielmehr alle zeitlichen Güter nur so brauchen, dass Sie nicht gehindert werden, nach Höherem zu trachten. Wenn uns ja wirklich auch alles nach Wunsch ginge ohne alle Trübsal, so müsste uns doch schon die Kürze dieses Lebens zeigen, dass es hienieden nur ein trübseliger Aufenthalt ist. Wie dem auch sei, Madame, werden Sie nicht müde, einem so guten Meister zu dienen und einem so lieben Vater sich unterzuordnen im Bewusstsein, dass unsere größte Weisheit ist, sich von ihm führen zu lassen und darauf zu warten, dass er uns heimholt zur ewigen Ruhe. Man zieht zwar heutzutage den Hass der Menschen auf sich, wenn man ihn rein ehren will; aber erzürnen Sie lieber jedermann, um ihm allein zu gefallen, als dass Sie vom rechten Wege weichen, um dem Hass und dem Murren der Welt auszuweichen. Es ist ja auch nur recht, dass wir uns ganz ihm hingeben, der uns so teuer erlöst hat, und nach der Liebe, die er uns erwiesen, müssen wir seine Gnade höher schätzen als alle Gunst der Welt. Damit, Madame, empfehle ich mich ergebenst Ihrer Wohlgewogenheit und bitte den lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten, Sie leiten durch seinen Geist, Sie reich werden lassen an geistigen Gütern und Sie stärken in unüberwindlicher Standhaftigkeit.

4. September 1558.

Calvin, Jean – An Gaspard de Coligny in Fort de l´ Ecluse.

Nr. 578 (C. R. – 2950)

Admiral Coligny war beim Fall von St. Quentin in Gefangenschaft geraten, in der er bis 1559 blieb; in diese Zeit, in der er auch durch Krankheit heimgesucht wurde, fällt seine Wendung zum evangelischen Glauben.

Gefangenschaft und Krankheit als Mahnung Gottes.

Monseigneur, ich hoffe, wenn Sie diesen Brief gelesen haben, der Ihnen bezeugen soll, wie sehr mir Ihr Seelenheil am Herzen liegt, so werden Sie es nicht unrecht finden, dass ich ihn geschrieben habe. Ich hätte damit nicht so lange gewartet, wenn mir schon früher die Möglichkeit, an Sie zu gelangen, wie jetzt gegeben worden wäre. Ich will mich nicht lange entschuldigen, da ich überzeugt bin, die Ehrfurcht, die Sie vor meinem Meister hegen, wird Sie gut heißen lassen, was, wie Sie sehen, von ihm ausgeht und ins seinem Namen Ihnen vorgelegt wird. Ich will auch keine langen Ermahnungen schreiben, um Sie in der Geduld zu stärken, da ich glaube und gehört habe, der liebe Gott habe Sie bereits durch die Kraft seines Geistes so stark gemacht, dass ich vielmehr Anlass habe, ihn zu loben, als sie noch weiter anzutreiben. Tatsächlich muss sich gerade darin der wahre Heldenmut zeigen, dass man alle seine Leidenschaften überwindet, nicht nur um dieses Sieges selbst willen, sondern um Gott wirklich das Opfer des Gehorsams zu bringen. Denn es genügt nicht, tapfer zu sein und nicht zu wanken und mutlos zu werden im Unglück, wenn wir nicht das im Auge behalten, uns in allem dem guten Willen Gottes unterzuordnen und uns ruhig damit zu begnügen. Da er Ihnen nun schon solche Standhaftigkeit gegeben hat, so tuts, wie man sagt, nicht not, Sie noch mehr zu ermahnen. Nur bitte ich Sie, auch noch weiter daran zu denken, dass Gott Sie, als er Ihnen diese Heimsuchung sandte, sozusagen beiseite nehmen wollte, damit Sie umso mehr auf ihn hören sollten. Denn Sie wissen wohl, Monsieur, wie schwer es ist, ihm mitten in der Ehre, dem Reichtum und der Gunst der Welt Gehör zu schenken; denn diese Dinge machen uns zerstreut und wie unaufmerksam, bis er irgendein solches Mittel braucht, uns zu sich zu ziehen. Nicht als ob Würden, hoher Rang und zeitliches Gut unvereinbar wären mit der Gottesfurcht, vielmehr je höher ein Mensch gestellt ist, umso mehr Gelegenheit ist ihm damit gegeben, seinem Gotte näher zu kommen, und umso mehr sollte er ihn ehren und ihm dienen; aber ich denke, Sie haben wohl auch schon die Erfahrung gemacht, dass die, die zu vorderst stehen in der Welt, davon so eingenommen und gleichsam gefangen sind, dass es ihnen Mühe macht, sich in Muße und mit bestimmter Absicht ihrer Hauptaufgabe zu widmen, die darin besteht, Gott seine Huldigung darzubringen, sich ihm ganz hinzugeben und nach dem ewigen Leben zu streben. Deshalb, Monsieur, bitte ich Sie, da Gott Ihnen nun diese Gelegenheit geboten hat, in seiner Schule zu lernen und Ihnen ganz persönlich etwas ins Ohr sagen will, so achten Sie darauf, damit Sie mehr als je merken, was seine Lehre wert ist und wie köstlich und lieb sie uns sein muss. Halten Sie auch eifrig daran fest, sein Wort zu lesen, damit Sie daraus Belehrung empfangen und lebendige Wurzel fassen im Glauben, so dass Sie für Ihr ganzes Leben gefestigt werden zum Kampf mit den Versuchungen.

Sie wissen, wie verderbt die Welt allenthalben ist, und umso mehr müssen sich die Kinder Gottes sorgfältig davor in acht nehmen, sich mit ihr zu vermengen, damit sie nicht befleckt werden. Tatsächlich ist ja heutzutage alles eher erlaubt, als in Reinheit Gott zu verehren, so dass Sie Ihre Pflicht ihm gegenüber nicht anders erfüllen können, als wenn Sie sich auf viel Tränen gefasst machen oder doch mindestens bereit sind, Murren und Drohungen zu ertragen. Aber doch muss es Ihnen als ein solches Vorrecht gelten, Gott zu verehren, dass alles andere daneben nicht viel gilt; seine Gnade ists wert, aller Gunst seiner Kreatur vorgezogen zu werden. Unser Vorteil ist es ja, dass, wenn wir schwach sind, er uns verheißt, mit seiner Kraft das zu ersetzen, was uns fehlt, wie es auch unsere beste Waffe ist, zu ihm unsere Zuflucht zu nehmen und ihn zu bitten, dass er unsere Kraft sei. Übrigens, Monseigneur, da die Ehre Gottes und was sein Reich angeht, allem andern vorangehen muss, so verlassen Sie sich auf die Verheißungen unseres Herrn Jesu Christi, dass alles übrige uns zufallen wird [Matth. 6, 33]. Zweifeln Sie nicht daran: wenn Sie sich in den Dienst Gottes stellen, werden Sie in jeder Hinsicht seinen Segen spüren und wird er Ihnen in der Tat zeigen, wie er für seine Kinder sorgt und ihnen gibt, was sie nötig haben, auch in diesem vergänglichen Leben. Umgekehrt gibt es auch kein wahres Glück ohne seine Gnade, und wenn die, die fern von ihm sind, meinen, alles gewonnen zu haben, so wendet sich ihnen schließlich alles zum Unglück. Da das unser menschlicher Verstand aber nicht leicht versteht, so müssen Sie sich üben im Lesen der Schrift, wie Sie es wohl bereits tun und gewiss gewillt sind, darin fortzufahren.

Damit, Monseigneur, empfehle ich mich ergebenst Ihrer Gewogenheit und bitte den lieben Gott, er wolle Sie behüten, Sie leiten durch seinen Geist, Sie stärken in aller Kraft und Ihnen bald die Freiheit wiedergeben, damit Sie ihm dafür danken können.

4. September 1558.